Respekt ist Anerkennung. Respekt bedeutet ernstgenommen zu werden. Das Gegenteil -aber nicht bloß die Abwesenheit- davon ist Disrespekt. Dieses Gegenteil ist die demonstrative und oft symbolische Verneinung von Respekt.
Wer uns uns Disrespekt gibt, nimmt uns demonstrativ nicht ernst. Die stärkste Form des demonstrativen Nicht-Ernstnehmens ist dabei die des demonstrativen Nicht-Wahrnehmens. Beides geht allerdings ineinander über. Wer so tut, als würden wir nicht sein wer wir sind, tut damit auch immer so als würden wir gar nicht da sein, genauso wie umgekehrt die demonstrativ bewusste Ignoranz unserer Anwesenheit impliziert, dass diese nicht ernstzunehmen ist.
Aber wie geht das genau?
Man tut so als wären wir nicht wer wir sind, würden nicht hören und sehen was wir klar gehört und gesehen haben, wäre uns nicht passiert was uns passiert ist, hätten wir nicht getan was wir klar erkennbar getan haben und nicht gesagt was wir klar hörbar kommuniziert haben.
Man tut so als wäre unsere Existenz in Teilen oder in Gänze nicht was sie ist oder gar nicht erst da, verweist aber doch dadurch implizit wieder auf sie. Und genau dadurch vermittelt man, dass unser Leben nichts bedeutet; dass es zwar da aber doch egal ist.
Denn Mensch zu sein bedeutet immer ein Mensch zu sein. Und ein Mensch kann immer nur der sein, der auch ein ganz bestimmter Mensch ist. Wer das aber nicht ist, wer nicht ein Jemand sondern ein Irgendjemand ist, der ist als Mensch in Wahrheit ein Niemand. Und genau diesen Eindruck vermittelt man uns, wenn man uns durch bewusste und demonstrative Ignoranz in unserer Besonderheit und Individualität nicht anerkennt.
Disrespekt soll also den Gegenüber dehumanisieren. Man spricht ihm seine Menschlichkeit ab in der Hoffnung, dass diese daran zu Grunde geht.
Doch Disrespekt zielt nicht nur auf ein Gegenüber sondern vor allem auch auf beistehende Dritte. Diesen gegenüber demonstrativ und bewusst die Existenz eines Menschen zu invalidieren, soll sie dazu bewegen ihn entweder selber nicht als solchen wahrzunehmen und/oder davon auszugehen, dass kein anderer es tut und man ihn also deshalb -sei aus Überzeugung oder aus Pragmatismus- ebenfalls nicht ernst nehmen muss.
Dazu kommt noch erschwerend dazu, dass Disrespekt immer eine doppelte Bedeutung hat. Er will nicht nur, sagen dass wir unbedeutend sind sondern auch noch, dass wir es uns gefallen lassen und somit schwach und dadurch auch noch irrelevant sind.
Disrespekt soll auch nicht nur subjektiv sondern, v.a. auch intersubjektiv im Raum des Sozialen dehumanisieren und den Gegenüber somit vogelfrei machen.
So ist es auch kein Wunder, dass kaum etwas so aggressive Reaktionen provoziert wie Disrespekt. Denn Disrespekt greift uns auf beiden Ebenen unseres menschlichen Daseins existentiell an. Als Individuum versucht er uns mit dem Eindruck unser Unbedeutlichkeit zu überwältigen, dass wir ihn übernehmen und daran zu Grunde gehen. Und auf sozialer Ebene drückt versucht er den selben Eindruck aufzudrängen und uns somit praktisch unsere Lebensgrundlage in Form anderer Menschen zu nehmen.
Man macht uns nicht nur zum Niemand man versucht uns nichtig zu machen. Und wie könnte einen das nicht wütend und aggressiv machen? Schließlich ist Aggression immer ein Akt der Selbstbehauptung und Wut eine Reaktion auf die Bedrohung oder Schädigung dessen was uns lieb und teuer ist. Und das sind wir in den meisten Fällen zuerst einmal selber. Und wie könnte man sein Selbst besser behaupten, als indem man es aggressiv nach außen trägt?