Ob als Kritik, Ausgrenzung, Ghosting oder Schmähung, wir alle haben schon einmal Ablehnung in der einen oder anderen Form erfahren. Genauso hat es uns dann auch mehr oder weniger getroffen. In jedem Fall aber hat sich uns die Frage gestellt, was es zu bedeuten hat, warum es geschehen ist und was mit uns, oder dem was wir getan haben, womöglich falsch ist. Vielleicht ist das aber auch weder die einzige, noch die erste Frage, die wir uns in so einer Situation stellen sollten. Warum auch sich mit all diesen Fragen plagen?
Wer berechtigte Gründe hat, mit uns, oder dem was wir tun und sagen, ein Problem zu haben, sollte diese auch äußern und verteidigen können. Und wo dies nicht erfolgt, können wir getrost davon ausgehen, dass es diese Gründe nicht gibt, oder es nicht wirklich um diese geht.
Denn wo andere Leute mit uns zu tun haben, sind ihre Reaktionen oft mehr durch sie bestimmt als durch uns. Dies gilt umso mehr, je heftiger diese Reaktionen ausfallen. Es gibt hier zahlreiche Gründe, die dazu führen können, dass man jemanden ablehnt.
Vorurteile, Kalkül, Opportunismus, Verteidigung des Selbstwertgefühls oder des eigenen Weltbildes, reaktiver Trotz, Projektion oder auch nur einfache Bosheit, können alle dazu motivieren, jemanden abzulehnen und oft auch abzuwerten. Die Abwertung ist dabei oft die Folge der Ablehnung und muss für diese als Rationalisierung herhalten.
Wie Äsop`s Fuchs die Trauben für sauer erklärt, die er nicht kriegen kann, erklären wir auch die Menschen für schlecht, die uns aus irgendeinem Grund unangenehm sind. Ob wir es damit tatsächlich ernst meinen oder uns und anderen nur etwas vormachen, zeigt sich dann darin, inwiefern wir bereit sind, auch hinter unserem eigenen Urteil zu stehen -ob vor unserem eigenen Gewissen, vor unbeteiligten Dritten oder ultimativ dem Beschuldigten selber.
Wo wir vor anderen mit unserem Urteil nicht bestehen können, sollten wir unser Wissen und Gewissen hinterfragen. Wo wir auch noch vor der Prüfung unseres eigenen Gewissens nicht bestehen können, sollten wir unsere Absichten hinterfragen.
Genauso, wie aber die Ablehnung eines anderen oft mehr über ihn sagt, als über uns, sagt unsere Reaktion darauf oft auch mehr über uns als über ihn. Prinzipiell gilt hier also genau das Gleiche. Denn genauso wie die Ablehnung, die wir durch andere erfahren, oft nur eine mehr oder weniger gut rationalisierte persönliche Reaktion ist, kann es auch wiederum unsere eigene Reaktion darauf sein.
Oft wird Ablehnung instinktiv mit eigener Ablehnung erwidert und erfahrene Abwertung dadurch, dass man sie ebenfalls mit Abwertung erwidert, zu entkräften versucht. Dennoch kommt es hier wie bei jedem Streit immer darauf an, wer zuerst angefangen hat und sich somit auch als erster zu rechtfertigen hat. Und insofern wir das nicht wahren, brauchen wir uns auch – zumindest vorerst – nicht für unsere Gegenreaktion zu rechtfertigen und können getrost erst einmal unsererseits eine Rechtfertigung einfordern.
Aber auch wenn wir nicht unbedingt selber in der Pflicht dazu stehen, mag es für uns durchaus sehr viel Sinn machen, auch uns selber zu hinterfragen. Nur ist das dann eben eine Angelegenheit, die wir nur mit uns selber auszumachen haben. Wenn wir uns hier selber hinterfragen, warum wir so reagiert haben, wie wir es nun einmal taten, so mag uns das zu Verständnis der Situation und Selbsterkenntnis verhelfen. Fragen wir uns darüber hinaus unvoreingenommen, ob vielleicht wirklich etwas mit uns nicht stimmt, so können wir damit Verbesserungsbedarf bei uns selber aufdecken – selbst dann, wenn es erfahrene Ablehnung und Abwertung durch andere weder verursacht hat, noch rechtfertigen kann.
Schließlich ist nicht jeder Fehler eine Schwäche, nicht jede Schwäche ein Laster und nicht jedes Laster ein Vergehen. Schuld sollten wir für unsere Vergehen empfinden, Scham für unsere Laster, für unsere Schwächen und Fehler hingegen nur Bedauern. Unsere Laster sind oft auch unsere Schwächen und die Quelle vieler unserer Fehler. Jedoch kommen nicht alle unsere Fehler und Schwächen von unseren Lastern. Genauso wenig ist es ein Laster, Schwächen zu haben, oder Fehler zu machen. Gibt man jedoch offensichtliche Fehler und Schwächen nicht vor sich selber zu, so macht man sich eines Lasters schuldig, der willentlichen Ignoranz. Dieses Laster ist auch ein Vergehen, nur eben eines gegen uns selber.
Wir können uns auch schuldig machen, ohne einem anderen etwas zu schulden oder ihm etwas zu Schulden kommen zu lassen. Wo wir selber Fehler und Schwächen haben, da schulden wir uns selber Ehrlichkeit im Bezug auf diese.
Wo andere uns also im weiten Rahmen zwischenmenschlicher Beziehungen ablehnen und damit womöglich verletzen, schulden wir es uns, uns zu unserem eigenen Wohl kritisch und ehrlich zu fragen, welche Fehler und Schwächen von unserer Seite womöglich mit dazu beigetragen haben. Ob ein Charakterzug oder eine Entscheidung von uns dabei eine Schwäche oder ein Fehler ist, ist natürlich rein situativ. Denn was in einer Hinsicht eine Schwäche ist, ist in einer anderen oft eine Stärke (und umgekehrt), und was in einer Situation genau das richtige Vorgehen ist, mag sich in einer anderen als Fehler erweisen. Deshalb auch ist es völlig legitim zu dem zu stehen, was sich hier womöglich als Schwäche oder als Fehler erwiesen hat, wenn es sich in allen anderen Lebenslagen bisher bewährt hat und wahrscheinlich auch weiter bewähren wird. Nur sollten wir trotzdem auch die Nachteile anerkennen, die es mit sich bringt.