Eitler Idealismus

Wer die Wahrheit wegen des Dogmatismus, die Moral wegen der Heuchelei, die Spiritualität wegen des Aberglaubens, den Glauben wegen des Fanatismus und die Politik wegen der Korruption verschmäht, wird sich dabei immer nur selber ein Bein stellen, auch wenn er meint, dabei einen Fortschritt zu machen.

Solch ein Befreiungsschlag käme der Heilung der Krankheit eines Patienten durch seinen Tod gleich. Nur wird der betroffene Patient in dieser Angelegenheit nicht sterben, sondern nur zum Zombie werden.

Denn hält man sich aus den Angelegenheiten der Menschen heraus, weil man sich zu fein dafür ist oder sie ob ihrer Übel leid wird, so werden sie dadurch weder besser, noch aus der Welt geschafft, sondern nur ihren schlimmsten Elementen überlassen. Was man aufgibt, ist damit immer verloren, aber doch nie vergangen. Man kann nichts mehr daraus gewinnen und es auch nicht für sich gewinnen, verlieren kann man daran allerdings immer noch alles, was man hat.

Steckt man mit seiner resignierten Haltung auch noch alle anderen an, die sich durch ihre Resonanz dafür als genau diejenigen erweisen, die es eigentlich bräuchte, bleiben nur noch diejenigen übrig, die sich daraus aus eigenem Interesse beteiligen. Und um sich in solchen anspruchsvollen und anstrengenden Angelegenheiten zu betätigen und zu bewähren, braucht es ein Ausmaß an ambitioniertem Eigeninteresse, dass seine Intensität nur aus Opportunismus oder Böswilligkeit beziehen kann.

Wehe dem Idealismus, der sich zu fein ist, mit den Dingen in Berührung zu kommen, die ihm selber nicht entsprechen. Er macht sich überflüssig und seinen Idealismus dabei zur Farce. Er wird stets zu selbstmitleidiger Wirkungslosigkeit und mit der Zeit auch immer zur Niederlage verdammt sein.

Denn sollte das Ziel des Idealismus nicht eigentlich darin liegen, sich genau in diejenigen Dinge einzumischen, die unter ihm und seinen Ansprüchen liegen und diese dabei zu bessern suchen und bei uns durch die darin enthaltene Herausforderung Selbstverbesserung zu bewirken?

Ist das Höhere sich zu fein für das Niedere, wird es dieses niemals auf das eigene Niveau heben und sich auch selber auf Dauer nicht halten können.

So wie das Gute der Feind des Besseren ist, können Ideale leicht der Feind realer Verbesserung sein, wenn man es sich zu bequem in ihnen macht. Was aber real nicht verbessert wird, wird verfallen müssen. Und wenn man in die Realität nicht herabzusteigen wagt, so wird sie einen früher oder später einholen und herunterziehen.

Was ist Solipsismus?

Niemand ist sicherer versklavt, als derjenige, welcher fälschlicherweise glaubt frei zu sein, niemand ohnmächtiger, als wer fälschlicherweise glaubt, allmächtig zu sein, niemand ahnungsloser als wer fälschlicherweise glaubt, allwissend zu sein und niemand unfreier als wer fälschlicherweise glaubt, alles unter Kontrolle zu haben.

Was man glaubt, sicher zu haben, wird man verlieren, wo man es hat und nicht gewinnen können, wo es einem fehlt. Je mehr man die Welt leugnet, umso mehr hat sie einen im Griff. Je mehr man sich selbst überhöht, umso kleiner macht man sich dadurch. Je mehr man sich überschätzt, umso schwächer macht man sich dadurch.

So erfordert alles, was wir erstreben, dass wir zuerst dessen Mangel und alles, was wir erhalten wollen, dass wir zuerst dessen Vergänglichkeit anerkennen. Dazu braucht es noch die Einsicht, dessen was es genau zu Erlangen oder Erhalt erfordert, die Einsicht darin, was wir dafür tun können, die Bereitschaft dazu und schließlich die Umsetzung dieser Schnittmenge zwischen Nötigem und Möglichem.

Natürlich müssen wir bei all dem auch noch allerlei Hindernisse, Widrigkeiten und nicht zuletzt auch unser eigenes Scheitern konfrontieren und bewältigen.

Je realistischer wir sind, umso höher sind unsere Chancen, umso geringer aber auch unsere Motivation, diese wahrzunehmen. Deshalb reden wir uns die Realität ja auch so oft schön, um die Kraft zu finden, sich ihr zu stellen. Aber was nützt das uns, wenn wir diese Kraft nicht richtig einzusetzen wissen?

Insofern wir die Realität nur so weit verzerren, dass wir uns gerade nur so viel schönreden, wie es braucht, um überhaupt ins Handeln zu kommen, mag dies noch funktionieren. Treiben wir es jedoch noch weiter, sind wir nicht mehr nur unrealistisch, sondern solipsistisch.

Solipsismus ist vom Prinzip das Gegenteil von Realismus und in der Praxis sein größter Feind. Dass es keine Realität gibt, können wir meinen, wirklich glauben können wir es allerdings nicht. Wir können allerdings glauben, dass es keine Realität außer uns gibt, dass wir selber also die ultimative Realität sind. Und eben das ist Solipsismus.

Dieser solipsistische Glaube ist auf den ersten Schein vielversprechend. Denn was könnte einem mehr Hochgefühl verschaffen und mehr Schutz gegen Sorgen, Nöte und Zweifel bieten, als der Glaube, nicht nur der Mittelpunkt des Universums, sondern sogar das Universum höchstselbst zu sein?

Dieser Glaube, stellt sich konsequent zu Ende gedacht, allerdings nicht als Segen, sondern als Fluch heraus (neben seinen praktischen Problemen). Denn wären wir allmächtig, so müssten wir auch an allem Schuld sein, v.a. auch an dem, was uns passiert. Wir wären allmächtig, aber zugleich doch impotent. Wir könnten alles beherrschen, doch nicht uns selber, eben deshalb, weil es uns selber nicht mehr gibt.

Allmacht bedeutet, mit der Welt zu verschmelzen und so als Individuum nicht mehr zu existieren. Denn Individualität erfordert Grenzen und diese sind wiederum nicht ohne Beschränkung zu haben. Wir würden uns also zum Sklaven der Welt machen, zu deren Gott wir uns erhoben haben.

Wir wären dabei aber auch zu ewiger Einsamkeit und Bedeutungslosigkeit verdammt. Wo wir uns selber eine Welt sind, nur um deren Gott zu sein, kann es keine anderen Menschen mehr geben, zu denen wir Beziehungen haben könnten und nichts außer uns, für das wir eine Bedeutung hätten, oder dass uns irgendwas bedeuten könnte. So ein Leben kennt keinen Anfang und kein Ende, keine Vergänglichkeit und keine Veränderung, keine Struktur und keinen Sinn.

Würde unser Solipsismus wahr werden, wäre unsere Existenz eine einzige Tortur, die uns unser eigenes Versagen und unsere eigene Bedeutungslosigkeit immer wieder aufs Neue vorführt und damit ein einziger großer Witz auf eigene Kosten.

All das erfahren wir, sobald wir uns auch nur subjektiv in Solipsismus begeben, auch wenn er objektiv nicht der Fall ist. Sobald wir nur glauben, dass wir die Welt sind, machen die Implikationen und die Perspektive unserer Weltsicht uns bereits miserabel und wahnsinnig.

Wenn wir also alle auch nur allzu gerne Gott unser eigenen Welt wären, sollten wir doch nun einsehen, dass so ein Unterfangen immer nur gefährlich und dumm sein kann und dass wir, wenn wir ihm nicht nachgehen, nichts zu bedauern oder zu vermissen haben.

Was ist plausible Anschuldbarkeit?

Allgemein liegt der Sinn einer Anschuldigung darin, zu einer Beurteilung anzuregen, welche zu einer Verurteilung und damit dann zu Vergeltung, Einschränkung oder Schädigung führen soll.

Es werden aber nicht alle Anschuldigungen immer in einer Beurteilung erwägt, nicht alle Beurteilungen mit einer Verurteilung beendet und nicht alle Verurteilungen mit ernsthaften Konsequenzen vollzogen.

Dennoch können Urteile oder auch nur Anschuldigungen, allein dadurch dass sie im Raum stehen, bereits dem Betroffenen schaden, auch wenn sie zu keiner vollzogenen Verurteilung geführt haben. Nicht selten werden sie ja genau zu diesem Zweck in die Welt gesetzt.

Das Ziel von Gerüchten z.B. liegt nicht darin, bestätigt zu werden, sondern Gerücht zu bleiben. Eine Bestätigung, würde dem Gerücht womöglich sogar noch schaden, da es nun keine Neugierde mehr erweckt und die Menschen das Interesse daran verlieren würden.

Dasselbe was hier für unbestätigte Anschuldigungen gilt, gilt auch für unvollzogene Urteile. Sie werden nicht gefällt, um andere direkt zu schädigen oder einzuschränken, sondern um sie als Verurteilte zu markieren. Dass sie nicht vollzogen werden, hat dabei den Vorteil, dass man bei so einem Manöver bloßer Stigmatisierung nicht mit allzu viel Skepsis, Gegenwehr oder Sympathie für den Verurteilten zu rechnen hat. Man schadet einem anderem so zwar nicht selber, gibt aber allen anderen die Motivation und Rechtfertigung dazu.

Das unvollzogene Urteil, das weiterhin im Raum steht, lädt jeden dazu ein es selber nach eigenem Ermessen (und nach eigenen Beweggründen) zu vollstrecken. Man wird durch unvollzogene Urteile sozusagen vogelfrei gemacht. Sie geben jedem einen Grund der Zielperson zu schaden, der es glaubt und allen anderen einen Vorwand, auch wenn sie es nicht glauben.

Und nicht nur das: Durch jede vorhergehende Anschuldigung und Verurteilung werden alle darauf folgenden immer glaubhafter. So kann aus einem Gerücht oder Stigma schnell ein Teufelskreislauf von Verdacht und (Vor-)Verurteilung werden und unliebsame Personen so zum Sündenbock gemacht werden.

So wird sowohl durch unbestätigte Anschuldigungen in Form von Gerüchten, als auch durch unvollzogene Urteile als Stigmatisierung eine Art plausibler Anschuldbarkeit hergestellt.

So wie die plausible Abstreitbarkeit das Ziel hat, etwas tun zu können, ohne sich dafür verantworten zu müssen, hat die plausible Anschuldbarkeit das Ziel, andere zur Verantwortung zu ziehen, ohne dass sie dafür etwas getan haben müssten und ihnen zu schaden, ohne selber gegen sie vorgehen zu müssen.

Was ist Eifersucht?

Der Name impliziert eine Sucht nach Eifer. Doch woher kommt diese Sucht nach Eifer? Eifer ist ja kein Ding an sich, welches man begehren kann, sondern selber ein Begehren? Wonach giert der Eiersüchtige also wirklich? Welches Begehren begehrt er und warum?

Augenscheinlich geht es bei Eifersucht um besitzergreifendes Begehren. Man sagt sie Verliebten nach, die in ihrem Begehren keine Konkurrenz dulden können. Doch ist es wirklich so einfach? Geht es dem Eifersüchtigen wirklich um die begehrte Person, oder doch nicht vielmehr um das Begehren selber? Liegt nicht in jenem Begehren der Eifer, nach dem er eigentlich süchtet? Wenn dem so ist, was macht dann den Eifer des Begehrens so begehrenswert? Was hat der Eifersüchtige von seinem Eifer und was von seinem Begehren?

Begehren verschafft uns, egal was wir nun begehren mögen doch immer eines: einen Sinn im Leben, ein Ziel für unsere Handlungen, die Kraft ihm nachzugehen und einen Grund am Morgen aufzustehen und den Tag bis zum Ende durchzustehen.

Denn letztlich ist es das Begehren, welches unseren Lebenswillen antreibt. Wir leben stets in der Gegenwart durch unsere Vergangenheit weiter, wirklich lebendig werden wir jedoch erst für die Zukunft. Und da wo wir keine Zukunft haben, sie für uns nicht sehen oder eine neue brauchen, kann sie uns das Begehren der Eifersucht bereitstellen. Das erklärt auch, warum die Gefühle bei Eifersüchtigen gegenüber nur vorgestellten Partnern genauso intensiv sein können, wie gegenüber echten.

Eifersucht ist eine Flucht nach vorne. Man ergreift sie dort, wo man mit sich selber verzweifelt und mit seinen Umständen so verloren ist, dass man den Ausweg daraus nur in einem anderen Menschen zu sehen mag. Um diesen selber geht es dabei jedoch nicht. Das zeigt sich gerade dann, wenn Eifersucht sich in Aggression ausdrückt.

Bei Liebe geht es schließlich darum, wie man zu einem anderen Menschen steht, nicht was man von ihm will. Wo man von ihm nicht haben kann, was man von ihm will, weil man ihn nicht haben kann und ihn deshalb zu hassen beginnt, zeigt sich, dass die Eifersucht in Wahrheit gar keine echte Liebe ist.

Die Gegenwart ist die beste Vorbereitung für die Zukunft

Man weiß nie wirklich wozu man in der Lage ist, bzw. wozu nicht, bis es wirklich einmal darauf ankommt. Dasselbe gilt auch für alle Anderen. Weder wissen wir genau, wozu sie in der Lage sein könnten, noch wissen sie selber es wirklich.

Wie also damit umgehen? Wie sich vorbereiten, wenn man nie genau wissen kann, wie gut man wirklich vorbereitet ist, geschweige denn, worauf man sich denn überhaupt vorzubereiten hat? Wie sich darauf vorbereiten, wie vorbereitet, bzw. unvorbereitet Andere dann sein werden, wenn wir dies ebenfalls bestenfalls nur abschätzen könnten?

Doch egal, was auch immer auf uns zukommen mag, eines werden wir doch immer gebrauchen können, um es erfolgreich zu bewältigen: die richtige Einstellung.

Was auch immer passiert, wir werden in jedem Fall realistisch, flexibel, konsequent, anpassungsfähig und dabei möglichst in vollem Besitz unserer Kräfte sein müssen. Dabei hilft es natürlich, wenn unsere Kräfte bereits möglichst gut ausgebildet sind.

Wichtiger ist es jedoch immer, dass wir auf das, was wir können, auch tatsächlich Zugriff haben. Es ist im Ernstfall immer besser, wenig zu können, aber es fest im Griff zu haben, als viel, was wir nicht unter Kontrolle haben, wenn es darauf ankommt.

Das wird am Beispiel der Selbstverteidigung sehr deutlich: Training ist immer nur so gut, wie das, was davon übrig bleibt, wenn es darauf ankommt. Und unter dem Stress einer bedrohlichen Situation bleibt oft nur hängen, was am einfachsten und am meisten eingedrillt ist.

Wie kommen wir aber nun zur richtigen Einstellung? Ganz einfach: Wir stellen uns immer den Herausforderungen, mit denen wir es jetzt zu tun haben, so als wären sie bereits der Ernstfall.

Wo wir ihnen diese Ernsthaftigkeit nicht abverlangen können, müssen wir es als unsere Herausforderung betrachten, nach den richtigen Herausforderungen zu suchen, bzw. diese zu erkennen, wenn wir sie finden, ob wir sie nun vorher gesucht haben oder nicht.

So lernen wir nicht nur die richtige Einstellung zum Bewältigen von Herausforderungen, sondern werden auch als „Nebenwirkung“ noch an Können, Charakter und evt. sogar noch an dabei gewonnenen Ressourcen wachsen.

Wir nehmen uns die Probleme, die uns begegnen, vor und gehen sie als Herausforderungen an, die es zu bewältigen gilt. Haben wir das geschafft, so suchen wir nach neuen Herausforderungen und machen diese dann für uns zu Problemen, die es zu lösen gilt usw.

So wachsen wir mit der Zeit derart, dass wir immer mehr alte Probleme bekannt und routiniert lösen, unbekannte seriös angehen und v.a. die zu lösenden Probleme erkennen können.

Dadurch werden wir letztendlich besser vorbereitet sein, als uns jeder noch so gute Plan und jede noch so große Menge an Ressourcen uns erlauben würden, aber auch mit den Plänen und Ressourcen, die wir haben, in jedem Fall besser umgehen können. Letztendlich müssen wir das ja auch.

Denn jeder noch so gute Plan wird zwangsläufig irgendwann vom Zufall durchkreuzt, und jeder noch so große Vorrat von der Zeit und allem, was in ihr noch passieren mag, aufgefressen werden. Der beste Plan ist stets derjenige, auf den man am wenigsten angewiesen ist, und der größte Vorrat, der, den man am wenigsten braucht.

So ist man gerade dann am besten auf alles vorbereitet, wenn man sich am wenigsten auf die eigene Vorbereitung verlässt und sich darauf vorbereitet unvorbereitet zu sein, indem man sich dem stellt, womit einen das Leben immer wieder unvorbereitet konfrontiert.

Tun wir das, stellen wir uns dem, womit wir es momentan zu tun haben, und bewältigen wir es, werden wir uns auch dem stellen können, was in Zukunft noch alles auf uns zukommt. Verlieren wir uns aber in unseren Vorhersagen und Plänen, werden wir in den meisten Fällen überrascht, in jedem Fall aber überrumpelt werden. Denn entweder werden wir es nicht kommen sehen oder wir werden dann merken, dass es nichts nützt, vorherzusehen, was wir nicht aushalten und bewältigen können. Entweder kommt es unerwartet oder es kommt anders, aber immer anders als man denkt.

Über Geheimnisse

Wir alle haben Geheimnisse. Genauso wissen wir, dass auch alle anderen irgendwelche Geheimnisse haben.

Ein Geheimnis kann einfach nur ungewiss sein oder vollkommen unbekannt. Wir können also von einem Geheimnis entweder überhaupt nichts wissen oder nur, dass es ein Geheimnis gibt, ohne dessen genauen Inhalt zu kennen. Wissen wir, dass jemand ein Geheimnis hat, ist es eigentlich schon kein richtiges Geheimnis mehr. Deshalb wird auch jeder, der es mit seinen Geheimnissen ernst meint, deren Existenz, genauso wie deren Inhalt verschweigen.

Wir können also von Anderen erwarten, dass sie, wenn sie wirklich wichtige Geheimnisse haben, diese genauso wenig andeuten würden, wie wir dazu bereit wären. Geheimnisse enthüllt man oder man verschweigt sie.

Wird uns aber ein Geheimnis angedeutet, sollten wir dem besser mehr Verdacht als Neugier entgegenbringen. Wer das tut, kann offensichtlich weder wirklich auf Mitteilung noch auf Geheimhaltung aus sein. Wird ein angedeutes Geheimnis weder wirklich verschwiegen, noch mitgeteilt, was soll dann damit bezweckt werden? Und was wird dadurch in jedem Fall bewirkt, unabhängig davon, was bezweckt werden soll?

Die Funktion von Andeutung ist Suggestion. Hinter der Suggestion steckt meist die Absicht, einen gewissen Eindruck zu erwecken, der genau die Reaktion in einem Anderen erwirkt, die man haben will. Die Reaktion, die durch die Andeutung eines Geheimnisses erwirkt wird, ist Unklarheit, Neugier und nicht zuletzt immer auch eine gehörige Portion Projektion.

Wir sollen hinter dem angedeuteten Geheimniss genau das vermuten, was wir begehren und damit oft auch, was wir begehren sollen.

Das Begehren bemächtigt sich dann unserer Urteilskraft. Wir sind so sehr auf das Ziel fokussiert, dass wir dabei den Weg, auf den wir uns begeben komplett aus den Augen verlieren. Wir sind so besessen von dem, was wir wollen, dass wir nicht beachten was es uns tatsächlich bringt. So kann man durch Mystifizierung, Andeutung und Obskurantismus Menschen in die Irre führen, ohne ihnen jemals irgendwelche falschen Versprechen machen zu müssen, ganz einfach deshalb, weil man sie dazu bringt, sie sich selber zu machen.

Je mehr wir uns aber von einer Sache versprechen, je mehr wir sie begehren, umso mehr sind wir auch bereit, dafür in Kauf zu nehmen. Und genau darin liegt auch des Rätsels Lösung: Wer Geheimnisse hat und diese weder wirklich verschweigt, noch wirklich mitteilt, sondern nur andeutet, der will genau das: nur andeuten. Und durch diese Andeutung, durch die Macht der Suggestion, werden wir zu Handlungen und v.a. zu Opfern bewegt, zu denen wir bei vollem Wissen niemals bereit wären.

Diese Andeutung, erfordert übrigens auch nicht, dass tatsächlich etwas dahinter steckt. Es muss kein Geheimnis geben, sondern nur den Eindruck, dass es eines gibt. Es ist sogar noch viel besser, wenn es gar kein wirkliches Geheimnis gibt. Denn zu einem falschen Geheimnis kann man auch beliebig oft und beliebig variabel immer eine falsche Enthüllung bringen.

Allgemein ist die geschickteste Form der Irreführung immer diejenige, die andere dazu bringt sich selber in die Irre zu führen, die effektivste Form der Manipulation diejenige, die sie dazu bringt, sich selber zu betrügen und die effektivste Ausnutzung diejenige, die sie dazu bringt, sich selber auszunutzen. Und um dies zu erreichen, um sie gegen sich selber auszuspielen, muss man ihnen einen Anreiz dazu geben, ohne diesen offenzulegen. Und genau das leistet die Macht der Suggestion. Und wo sich die Suggestion den Schleier eines Geheimnisses verleiht, ist sie am mächtigsten, weil sie sich nicht mehr an der einem bekannten Realität überprüfen lässt. Wo wir nicht wissen, was das Geheimnis ist, wie sollten wir da wissen können, ob es echt ist oder ob es überhaupt eines gibt? Und wenn wir das nicht wissen können, wie können wir dann dem trauen oder Glauben schenken, der es vermeintlich von sich gibt?

Wie pragmatisch ist Pragmatismus?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zuerst fragen, welchen praktischen Wert die Wahrheit an sich, das Streben nach ihr und das Leben im Einklang mit ihr hat. Denn Pragmatismus ist letztendlich eben der Verzicht – nicht aber die Ablehnung – im Bezug darauf.

Ein Pragmatist muss kein Relativist sein, er muss aber auch kein Realist sein. Pragmatismus verschiebt die Frage nach der Wahrheit einfach vom Bereich der Erkenntnis in den der Taten. „Wahr“ sind für den Pragmatist die Ansichten, die sich darin bewähren, uns also bei ihrer Befolgung – wie auch immer diese aussehen mag – gewünschte oder doch zumindest wünschenswerte Resultate bringen. Darin ist durchaus ein Kern von Wahrheit enthalten: Denn über pragmatistisches Denken lässt sich die Frage beantworten, was wir denn zu welchem Zweck für wahr halten sollten.

Der Trugschluss besteht nur darin, nicht zu akzeptieren, dass eben das, was wir für wahr halten sollten, weil es uns so zu gelungenem Handeln führt, nicht unbedingt das sein muss, was wirklich wahr ist, genauso wie es umgekehrt auch Wahrheiten geben kann, die eben nicht hilfreich, sondern belastend oder sogar zerstörerisch sein können.

Deshalb stellt sich eben auch für den Pragmatismus selber folgende Frage: Wie pragmatisch ist dieser Trugschluss? Wie viel Sinn macht es, das für wahr zu halten, was sich nur in der Anleitung unseres Handelns bewährt?

Pragmatismus hat in dieser Frage einen gewaltigen blinden Fleck. Schließlich betrachtet er nur kurzfristig und nur im Einzelfall, ob es sich lohnt, die Wahrheit anzuerkennen und nach ihr zu streben.

Der Zusammenhang zwischen Wahrheit und praktischem Nutzen ist allerdings wesentlich komplexer. Manchmal kann es anfänglich nicht nutzen oder sogar schaden, eine unbequeme Wahrheit anzuerkennen, langfristig aber schlimmere Probleme vermeiden. Manchmal muss man vorerst unnütze und belastende Wahrheiten eine nach der anderen anerkennen, bis sie sich schließlich zusammenfügen und auch ihren Nutzen entfalten können. Manchmal mag es Sinn machen, im Einzelfall die Wahrheit dem Nutzen gemäß zu verbiegen, wird dies jedoch zur Gewohnheit, verliert man jeden Halt und zieht sich selber den Boden unter den Füßen weg. Alle diese Verstrickungen sind dem Pragmatismus inhärent.

Darüber hinaus entgeht dem reinen Pragmatismus, neben dem oben bereits erwähnten Nutzen der Wahrheit, auch der des Strebens nach ihr und des Lebens im Einklang mit ihr. Davon ist nur ersteres mit dem Pragmatismus überhaupt verträglich und auch nur dann, wenn die Wahrheit im Zweifelsfall Priorität über den Nutzen hat. Denn das Streben nach Wahrheit und das Leben im Einklang mit ihr sind inhärent unpragmatische Tätigkeiten.

Das Streben nach Wahrheit ist dabei so weit vereinbar mit dem Pragmatismus, wie es als Tätigkeit einen praktischen Nutzen hat und zu praktisch nützlichen Wahrheiten führt. Unser Streben nach Wahrheit, kann also durchaus einen Nutzen haben. Wir dürfen es jedoch niemals um dieses Nutzens willen tun. Denn so pragmatisch das Streben nach Wahrheit auch sein mag, man tut es doch nicht aus pragmatischen Erwägungen, sondern aus intrinsischer Motivation; sonst wäre es ja kein Streben nach der Wahrheit mehr. Würden wir nach der Wahrheit um ihres Nutzens willen streben, würde unser Streben nach ihr seinen Nutzen und auch schließlich seinen Antrieb verlieren.

Das Streben nach Wahrheit kann also durch Pragmatismus unterstützt, aber nicht motiviert und angetrieben werden. Alle pragmatischen Erwägungen sind hier immer nur Nachgedanken, auch wenn sie als solche nicht ohne Wirkung sind.

Das Leben im Einklang mit der Wahrheit wiederum ist allerdings eine völlig andere Gelegenheit. Im Einklang mit der Wahrheit zu leben bedeutet nicht nur, sich der Wahrheit nähern zu wollen, sondern v.a. auch sie ernst zu nehmen. Was man einmal als wahr erkannt hat, hat immer gewisse Implikationen und fordert seinen Tribut in Form von Anerkennung und Berücksichtigung ein. Lebt man im Einklang mit der Wahrheit, reicht es eben nicht, sie einfach nur zu wissen. Man muss sie auch befolgen. Und dieser Imperativ der Wahrheit schneidet sich dabei mit der Domäne des Handelns, welche dem Pragmatismus angehört und macht ihm dort seine seine Vormachtstellung streitig. Zwar muss es hier auch nicht immer zum Konflikt zwischen Wahrheitsliebe und Pragmatismus kommen, jedoch kann der Pragmatismus diesem nicht mehr ausweichen und muss in jedem Fall unterliegen.

Worin genau liegen aber nun die Vorteile darin, nach der Wahrheit zu streben und im Einklang mit ihr zu leben? Im Verlauf des Strebens nach Wahrheit müssen wir uns zwar vielen Mühen und Gefahren stellen, erfahren aber dafür ein stetiges Wachstum an Wissen, Verstand, Erfahrung und Charakter. Die Hürden, denen wir uns dabei stellen müssen, bleiben in ihrer Schwierigkeit dabei weitestgehend gleich, während sich die Gewinne des oben erwähnten Wachstums hingegen mit der Zeit akkumulieren und diese somit zwangsläufig überwiegen müssen.

Das Streben nach Wahrheit erfordert von uns in letzter Konsequenz, der Wahrheitsliebe gemäß, auch im Einklang mit der Wahrheit zu leben, und damit Wahrhaftigkeit.

Dabei muss unser Streben nach Wahrheit zu allererst ein Streben nach Wahrheit im Umgang mit uns selber sein, weil wir uns nur so versichern können, ihm und auch uns selber auf Dauer wirklich treu zu bleiben. Tun wir das, so gewinnen wir dabei eine besondere und entscheidende Form von Wahrheit: Selbsterkenntnis.

Wer das Streben nach Wahrheit über sich selber stellen kann, wird sich selber erkennen. Und nur wer sich selber erkannt hat, kann sich auch selbst beherrschen. Und erst wer sich selbst beherrschen kann, der ist auch frei.

So versetzt uns das Streben nach Wahrheit durch die Selbsterkenntnis, die es mit sich bringt, überhaupt erst in die Lage, wirklich pragmatisch in unserem eigenen Sinne handeln zu können.

Was ist Müdigkeit?

Müdigkeit hat immer genau so viel damit zu tun, was es noch Weiteres zu tun gibt, als damit, wie viel man bereits getan hat.

Wir wägen unbewusst stets die Anstrengung, die das weitere Wachbleiben, zusammen mit der unter ihm ausgeführten Tätigkeit erfordert, ab gegen das, was wir uns davon versprechen. Und wenn es nicht (mehr) genug zu tun gibt, was die immer weiter steigende Anstrengung des Wachbleibens rechtfertigt, werden wir müde.

Wir werden also vielmehr müde, um eine weitere Belastung, die uns nicht mehr lohnend erscheint, zu vermeiden, als um uns von der bisherigen zu erholen. Die bisherige Belastung spielt dabei nur indirekt immer die Rolle, dass sie durch die bei ihr akkumulierte Erschöpfung jede weitere Belastung umso schwerwiegender macht.

Guten Schlaf hat man demzufolge, wenn man genau so viel und genau zur richtigen Zeit an Müdigkeit empfindet, wie es erforderlich ist, um den Schlaf zu bekommen, den man objektiv braucht. Dabei braucht man objektiv immer so viel Schlaf, wie man Energie und damit Belastbarkeit benötigt, um sich im Wachbleiben bei all den Tätigkeiten anzustrengen, die ihren Aufwand noch wert sind.

Hier kann es zu zwei Abweichungen dieses Ausgleichs, zwischen unserer Tatkraft (also unserem Energieniveau) und unserem Tatendrang (also den anstehenden und subjektiv lohnenswerten Tätigkeiten), kommen.Wir können entweder mehr Tatendrang als Tatkraft haben und werden dadurch „übermüdet“ (die Ironie dabei ist, dass wir ja eigentlich nicht zu viel Müdigkeit verspüren). Dieser Zustand wird sich in den meisten Fällen, früher oder später, von selber korrigieren, weil sich der Körper mit seinen Bedürfnissen auf Dauer immer gegen den Willen durchsetzt, welcher diese nicht respektiert.

Wir können aber auch nicht genug Tatendrang für unsere Tatkraft haben. Dieser Zustand führt dann zu einer Art allgemeinen Lethargie, also einer tatsächlichen „Übermüdung“. Wir fühlen uns dann nicht unbedingt erschöpft, aber trotzdem müde, weil es für uns einfach nichts gibt, wofür sich die Mühe des Wachbleibens noch lohnen würde. Da wir aber auch dann, wenn wir keine Ziele haben, nie wirklich untätig sein können, wird unser Tatendrang zu einem Streben nach Zerstreuung. Wir streben dann danach, uns immer mit irgendwas zu beschäftigen – sehr oft auch mit uns selber – , bis wir irgendwann aus Erschöpfung, oder auch nur aus Langeweile, müde werden. Verliert eine Sache dann ihren Reiz für uns, sagen wir auch oft, dass wir „ihrer müde werden“.

Es ist also stets leichter und damit auch immer stets wahrscheinlicher, mehr Müdigkeit zu empfinden (was nicht unbedingt heißen muss, auch wirklich müde zu sein), als zu viel, weil es auch leichter ist zu unterschätzen, anstatt zu überschätzen was es noch Lohnendes zu tun gibt. Letzteres erfordert schließlich erst einmal die Anstrengung des eigenen Vorstellungsvermögens (diese kann dabei selber zu einem Faktor der Erschöpfung und damit auch der Ermüdung werden), während ersteres unserer natürlichen Denkfaulheit und Ignoranz in die Hände spielt.

Je länger wir dabei einer Sache nachgehen, umso weiter ermüden wir dabei, weil wir mit der Zeit immer mehr aus uns und genauso aus ihr herausholen, so dass sie immer anstrengender wird und immer weniger bereithält, was sich noch weiterhin lohnen würde.

Um wirkliche Übermüdung zu verhindern, müssen wir also stets das tun, was uns erschöpft und uns dabei verhältnismäßig möglichst wenig müde macht. Wir überwinden die Müdigkeit nicht dadurch, dass wir sie bekämpfen (das erschöpft uns meist nur und macht uns damit noch müder), sondern indem wir uns Dinge suchen, die uns dabei helfen, wach zu bleiben, indem sie uns möglichst gute Gründe dafür geben. Da aber auch diese sich mit der Zeit erschöpfen, sollten wir sie wechseln, wenn wir sie ermüdet haben, bevor sie uns ermüden.

„Talk is cheap“ – Reden ist billig

Worte können ihren Wert immer nur in dem haben, was sie uns sagen (also in dem, was wir aus ihnen lernen können), oder darin, was wir mit ihnen machen können. Lernen können wir aus ihnen aber nur das, was wir auch verstehen und glauben können. Machen aus ihnen nur etwas, insofern sie zur Absprache für gemeinsames Handeln taugen. Das setzt Verständlichkeit und Vertrauen voraus.

Verständlichkeit erfordert Klarheit und Vertrauen erfordert Glaubhaftigkeit, beides aber erfordert Überprüfbarkeit. Überprüfbar ist nur, was in der Form verständlich und im Inhalt zugänglich ist.

Worte aber, die entweder keine verständlichen Aussagen machen oder sich in diesen nicht auf uns zugängliche Dinge beziehen, sind eben nur das: bloße Worte. Wer nur bloße Worte ohne Gehalt gebraucht, spricht nicht mit uns, sondern redet uns nur an.

Solch ein Gerede kann man getrost mit der selben Leichtfertigkeit verwerfen, mit der es meist ausgesprochen wird. Es hat für uns keinen Wert, ausser den der Unterhaltung, und sagt uns auch nichts, ausser dem, was es uns über den Redenden sagt.

Das trifft auf alle Absichtserklärungen, Selbstdarstellungen, Versprechungen, Lippenbekenntnisse, Plattitüden, Orakelsprüche und sonstigen Worthülsen zu, hinter denen ausser ihrem Effekt auf den Zuhörer nichts weiter steckt, als die Absichten desjenigen, der sie von sich gibt.

Denn Worte haben an sich kein Gewicht, sondern immer nur das, was hinter ihnen steht. Beziehen sie sich auf die Welt, so müssen es reale Dinge, oder zumindest die Ideen davon, sein. Beziehen sich Worte auf einen selber, so müssen es Taten sein. Wo aber weder Dinge noch Taten hinter den Worten zu finden sind, können wir sie getrost als so nichtig erachten, wie sie es sind.

Dennoch lässt sich auch von bloßem Gerede etwas lernen, auch wenn es nicht in den geäußerten Worten selber liegt.

Denn alles, was einer spricht, ob er nun wirklich etwas zu sagen hat oder nur daherredet, ist immer eine mehr oder weniger unabsichtliche Selbstaussage. Selbst dann, wenn jemand explizit eine Selbstaussage äußert, sagt es uns immer mehr, und oft auch anderes, über ihn aus, als das, was er über sich äußert.

Hat man mit Gerede zu tun, sollte man sich nicht darin abmühen einen Sinn zu suchen, wo keiner zu finden ist, sondern sich stattdessen nach dem Zweck davon fragen. Und um zu wissen, welcher Zweck beabsichtigt ist, reicht es meist, sich zu fragen, welchen Zweck man bedienen würde, wenn man dem Redner Glauben schenken würde.

Und um wiederum den Zweck herauszufinden, müssen wir dem Nutzen auf den Grund gehen. Hier sollten wir darauf achten, wem in welchem Ausmaß Nutzen und Schaden zukommt.

Nützt sich der Redner nur selber, nützt er vielleicht uns beiden? Nutzt er uns nur aus, oder schadet er uns sogar noch? In jedem Fall sollte man, so leichtfertig wie das Gerede ist und so leichtfertig wir es auch verwerfen können, die Angelegenheit doch nicht leichtfertig hinnehmen.

Nicht umsonst heisst es ja, dass man stets darauf achten soll, was Leute tun, anstatt auf das zu hören, was sie reden. Macht man allerdings beides und achtet darauf, was sie tun und was sie reden, ohne dem Geredeten Glauben zu schenken, so erkennt man recht schnell, welcher Zweck hinter beidem steht und was sie mit dem, was sie reden, zu tun beabsichtigen.

Doch nicht alles, was stattdessen nur Unsinn ist, ist deshalb auch unbedingt harmlos. Im Gegenteil: Unsinn an sich ist, unabhängig von seinem eventuell bewirkten Schaden, an sich immer schon schadhaft für unseren Verstand, unsere Orientierung und damit auch unsere Handlungsfähigkeit.

Unsinn stiftet doch immer, wenn er uns auch nicht immer zu schädlichem Handeln anstiftet, Verwirrung. Diese Verwirrung raubt uns die Voraussetzungen zu konstruktivem und kooperativem Handeln. Ersteres erfordert, dass wir die Realität so erkennen wie sie ist, letzteres, dass wir einander erkennen und uns gegenseitig verstehen. Wo uns diese Voraussetzungen nicht gegeben werden, brauchen wir uns auch nicht den darauf beruhenden Handlungen verpflichtet fühlen.

Was ist Respekt?

Machiavelli beschäftigte sich einst mit der Frage, ob es besser sei gefürchtet oder geliebt zu werden. Aber warum sollten wir uns überhaupt dazwischen entscheiden müssen?

Ist es nicht auch möglich, zugleich in einer Hinsicht gefürchtet, in einer anderen aber geliebt zu werden? Kommt es nicht vielmehr darauf an, wofür wir gefürchtet oder geliebt werden, als dass man uns fürchtet oder liebt? Und wenn dem so ist, wofür genau sollten wir dann gefürchtet oder geliebt werden wollen?

In dieser Hinsicht ist es wohl am besten gefürchtet zu werden für das, was man tun und auch wollen kann, aber geliebt zu werden für das, was man tun will und auch tut, aber weder wollen noch tun muss.

Wo diese Form der Furcht und der Liebe gegenüber einer Person sich vereinen, da hat sie Respekt. Respekt beruht darauf welche Fähigkeiten und welche Einstellung wir einem Menschen beimessen, wobei die Fähigkeit groß und die Einstellung gut zu sein hat. Große Fähigkeit und gute Einstellung sind jeweils schon Grund für Respekt genug, wo sie sich aber in einer Person vereinen, da wird uns der Respekt geradezu abgenötigt.

Größer ist, wer Größeres zu tun vermag und Größeres zu tun vermag der, welcher in Wille und in Tat zum Bösen genau so wie zum Guten fähig, aber von sich aus zu keinem von beidem gezwungen ist. So hat man nicht nur die Fähigkeit zu größerem Handeln, sondern auch die Freiheit dazu. Und eben diese moralische Freiheit ist es, welche die Entscheidung und darauf beruhende Einstellung zu gutem Willen und gutem Handeln überhaupt erst bedeutungsvoll und eigentlich auch gerade erst zu einer Entscheidung macht.

Dabei gewinnen sowohl die Größe der Fähigkeit, als auch die gute Einstellung erst dadurch an Bedeutung, dass sie auf einem freien Willen beruhen. Wirklich fähig ist nur der, welcher kann, aber nicht muss, und wirklich gut nur der, welcher will und auch tut, ohne aber das Gute oder das Böse dabei tun zu müssen.

Schließlich wird stets der mehr gefürchtet, der Gutes wie Böses gleichermaßen wollen wie tun kann, als der, welcher nur das Böse wollen und tun kann, denn er kann mehr und er kann es v.a. kontrollierter und flexibler als der, der nur dem inneren Drang seiner Natur folgt. Genauso wird auch der mehr geliebt, der in gleichem Maße helfen wie schaden kann und es aus freiem Willen heraus tut, v.a. dann, wenn es für ihn nicht nur unnötig sonder auch unnütz ist, sich zum Guten zu entscheiden.

Respektiert wird sodann der, welcher das Böse und das Gute tun kann, sich aber dafür entscheidet, das Gute zu tun. Noch größer ist dieser Respekt, wo man bereit ist auch selber zum Bösen zu greifen, wenn es der Einsatz gegen das Böse erfordern sollte. So wird man nicht nur von den Freunden, denen das Gute zu Teil kommt, sondern auch von den Feinden, denen stets das Böse zu Teil werden kann, gleichermaßen respektiert werden und unter den eigenen Freunden umso mehr von jenen, die verstehen, dass manchmal gute Menschen bösen Menschen Böses antun müssen, um andere vor ihnen zu bewahren und sie von ihrem Irrweg herunterzuzwingen.