Wehe dem Verräter

Nur zur Klarstellung: Ein Verräter ist nicht einfach der welcher Erwartungen nicht genügt, sondern der welcher sich unter Missbrauch des ihm gewährten und von ihm entgegengenommenen Vertrauens, zum eigenen Nutzen und zum Schaden der eigenen Leute gegen diese und zu ihrem Feind wendet.

Julius Cäsar sagte einst „Ich liebe den Verrat, aber ich hasse den Verräter“. Und wie könnte es auch anders sein? Denn was sagt ein Verräter durch seine Tat anderes über sich aus, als dass er weder zu gebrauchen noch auf Dauer annehmbar oder auch nur hinnehmbar ist?

Der Verräter mag sich persönlich einen Vorteil verschaffen und dabei meinen sich beim Feind einschmeicheln zu können, doch wenn dieser auch nur einen Funken Verstand hat, so wird er verstehen dass er den Verräter nur solange braucht und tolerieren muss und auch gar nicht weiter tolerieren kann, bis die Gruppe die er verraten hat besiegt und der Verräter dadurch nur noch eine Last und Gefahr geworden ist. Denn wie kann man erwarten, dass er einem selber die Treue hält, wenn er es schon bei seiner ursprünglichen Gruppe zu der auch gehört hat nicht konnte? Und wer will schon jemanden behalten der so billig ist, dass er sich kaufen lassen hat? Und wozu soll er noch nützlich sein wenn er sich gegen seine ursprüngliche Gruppe nicht mehr nutzen lässt weil sie ja schon besiegt ist?

Der an den du dich verraten hast, weiß nun was du weißt und wer du bist, sowie dass du weißt was er ist genauso wie er weiß, dass du weißt was er weiß. Und mit all diesem Wissen über dich und sein Verhältnis zu ihm kann er nur zu dem Schluss kommen, dass bei dir für ihn nichts mehr zu holen ist, aber für dich bei ihm oder von anderen durch dich noch bei ihm. Und wie könnte er so einen Zustand weiterhin hinnehmen? Und würde er wenn er es täte und weiter gemeinsame Sache mit dem Verräter macht nicht auch über sich selber aussagen, dass man ihm genau so wenig trauen kann wie dem Verräter selber? Denn während man sich beim Verräter fragen muss, wer er denn ist, dass er sich auf den Feind einlässt, muss man sich beim Feind fragen, wer er denn ist, dass er sich auf Verräter einlässt.

Und nicht nur das. Der Verräter wird nicht nur bei denen an die er seine Leute verraten hat, keinen Platz finden könnnen, sondern bei überhaupt niemanden der ihn als das kennt, zu dem er sich durch seine Tat selber gemacht hat. Denn genauso wie man den der einmal gelogen hat nicht mehr glaubt, traut man auch dem der einmal verraten hat nicht mehr. Der Lügner und der Verräter teilen schließlich die Gemeinsamkeit, dass sie das Vertrauen und das ihm implizite Versprechen das sie gebrochen haben, nie wieder zurückgewinnen oder wieder gutmachen können, weil nun keiner dieser Versuche mehr ernst genommen werden kann. Gewöhnliche Missetaten mag man als Fehler eingestehen (natürlich kann Lüge oder Verrat auch ein Fehler sein), um Versöhnung bitten und dafür Büße tun, aber bei Lüge und Verrat verhält es sich anders: Jeder Versuch die eigene Ehrlichkeit oder Treue zu beweisen steht nun unter dem Verdacht sie in Wahrheit nur vorzutäuschen.

Das einzige was der Verräter am Ende seiner Tat also erreichen wird, ist dass er von seiner alten Gruppe als bösartig verhasst, von seiner neuen als lästig verachtet und von allen anderen als unzuverlässig gemieden werden wird. So wird er dann wohin er sich auch wendet entweder verfolgt und vernichtet, entsorgt und ausgetauscht oder gemieden und ausgestossen werden.

Somit ist es das Schicksal eines jeden Verräters, durch seine Taten an denen die er verraten hat sich auch immer selbst mit zu verraten (im doppelten Sinn) und bei denen an die er sie verraten hat wiederum sich gegenüber Verrat einzuladen.

Das Schicksal eines Verräters folgt also stets der karmischen Ironie, dass er mit jedem mal wo er weiter gegen seine eigenen Leute arbeitet immer weiter gegen sich selbst arbeitet, und dass dadurch dass er sie in eine Falle bringt er sich selber seine eigene schafft.

Was ist Ignoranz

Wir sind zu allem möglichen Wissen das es geben kann immer in einem doppelten Verhältnis. Wir wissen es, oder wissen es nicht und wir wissen oder wissen nicht, dass wir es wissen. Nach diesen zwei Dimensionen lässt sich entsprechend ein Quadrant mit vier Feldern konstruieren: bekannte Bekannte und bekannte Unbekannte, sowie unbekannte Unbekannte und unbekannte Bekannte. Es gibt also Dinge die wir wissen und bei denen wir auch wissen, dass wir sie wissen, solche bei denen wir wissen, dass wir sie nicht wissen und solche bei denen wir nicht wissen, dass wir sie wissen sowie solche bei denen wir nicht einmal wissen, dass wir sie nicht wissen.

Zu diesem 4-Felder-Modell kann man sich nun auf verschiedene Arten in Beziehung setzen und dementsprechend verschiedene Haltungen einnehmen. Die Haltung der Wissbegierde zeichnet sich dabei durch die Bemühung aus, die Größe des Feldes der bekannten Bekannten sowohl absolut als auch im Verhältnis zu den anderen Feldern zu maximieren. Wer wissbegierig ist, möchte also sowohl soviel wie möglich wissen, als auch sich seines Wissens soviel wie möglich bewusst sein.

Das Gegenteil der Wissbegierde ist die Ignoranz. Als Gegenteil kann sie dabei entweder als Abwesenheit oder als Ablehnung der Wissbegierde aufgefasst werden.

Ignoranz als Abwesenheit von Wissbegierde würde sich somit durch Gleichgültigkeit und Desinteresse gegenüber allen Wissensformen und dem Ausmaß in dem diese als bekannte Bekannte expliziert sind auszeichnen. Mit dieser Haltung von Gleichgültigkeit und Desinteresse gegenüber dem Wissen ist immer notwendigerweise auch die selbe Haltung gegenüber dem Unterschied zwischen Wissen und Nicht-Wissen verbunden. Wer ignorant in diesem Sinne ist, kümmert sich also nicht darum mehr zu wissen, nicht um das was er weiss und erst recht nicht darum was Wissen überhaupt ist sowie ob, wie und wieviel man es erreichen kann.

Der derartig Ignorante misst also dem Wissen und dem Zustand des Wissens keine eigene Bedeutung bei. Was er allerdings anzuerkennen vermag, ist dass Wissen für ihn nützlich sein und somit einen instrumentellen Wert haben kann. Das führt ihn dazu zumindest gegenüber dem bekannten Unbekannten -also dem von dem er weiss, dass er es nicht weiss- einigermaßen aufgeschlossen zu sein und sich zu fragen, was es dort evt. Nützliches zu wissen gäbe. Nur leider übersieht er dabei in seiner Ignoranz gegenüber der Frage des Wissens, dass ob und inwiefern Wissen nützlich ist, erst dann wirklich feststellbar ist wenn man es sich angeeignet hat (das Gegenteil gilt dabei genauso: Ob etwas zu wissen unnütz ist weiss man auch wirklich erst nachdem man es gelernt hat).

Was ist nun mit Ignoranz als Abneigung? Die Abneigung, kann sich hierbei als Abneigung gegenüber dem Wissen selber oder dem Prozess seines Erwerbs ausdrücken. Dies erweitert sich dann oft auch auf die Abneigung, gegen das Wissen oder den Wissenserwerb anderer. Grund dafür ist meistens, dass man entweder Wissen und Wissenserwerb als solchen als belastend befindet, oder dass man ihn als lasterhaft -also sündhaft und verderblich- ansieht. Wer dabei das Wissen und seinen Erwerb als belastend empfindet, neigt dabei zu allgemeiner Ignoranz und wer es als lasterhaft empfindet eher zu Ignoranz gegenüber bestimmtem Wissen oder auch schon allem was es nur andeutet inkl. dem blossen Fragen nach ihm oder blossem Verweis auf dessen Tabuisierung.

Damit nimmt die Ignoranz gegenüber bestimmtem Wissen also stets die Form des Tabus an: Was tabuisiert ist, darf weder in Erwähnung noch in Gebrauch angesprochen werden. Und deshalb darf auch das Tabu als solches nie explizit erwähnt sondern immer nur andeutend praktiziert werden, weil man dadurch bereits indirekt auf, dass was es tabuisiert ist verweisen würde.

Was die Ignoranz der Abneigung allerdings antreibt ist nicht etwa die Faulheit sondern der Selbstschutz. Was dabei bedroht ist, ist entweder zuerst die Struktur der eigenen Persönlichkeit oder die des eigenen Weltbildes, in jedem Fall allerdings früher oder später immer beides.

Man fühlt sich in seiner Persönlichkeitsstruktur und in der Struktur des eigenen Weltbildes, immer dann bedroht wenn sich ein Wissen andeutet, was dieser zuwider laufen und es somit aushebeln könnte. Deshalb auch darf es dann nicht geben, was nicht wahr sein darf weil es sowohl einen selbst, als auch das was man glaubt der Lüge überführen würde.

Krabben im Eimer

Wenn in einem Eimer voller Krabben eine von ihnen sich dazu durchringt aus ihm zu klettern und dabei tatsächlich Erfolg hat, wird sie bevor sie ihr Ziel erreichen kann dabei immer von den anderen Krabben behindert werden, die versuchen sie wieder zurückzuziehen.

Mit den meisten Menschen ist es leider oft nicht anders; übertrifft man sie und befreit sich aus dem Elend, dass man vorher noch mit ihnen geteilt hat, so können sie es kaum auf sich sitzen lassen. Dann versuchen sie die eigenen Bemühungen mehr oder weniger subtil, direkt oder indirekt zu sabotieren. Das Repertoire an Tricks denen sie sich dabei bedienen reicht dabei von Demoralisierung durch Einreden von Scham- und Schuldgefühlen, Ausreden von jeglichen Erfolgsaussichten, Einreden von Zweifeln, Rückverlockung usw. bis zu direkter Sabotage durch soziale Aggression und Intrigen.

Aber warum tun sie das? Warum nicht dem Mitmenschen seinen Erfolg gönnen, wenn man selber dabei nicht zu schaden kommt und villeicht noch etwas davon lernen oder sogar profitieren könnte?

Der Grund muss wohl darin liegen wie der Erfolg eines anderen einen selber in den eigenen Augen und denen anderer (vermeintlich) dastehen lässt. Hier sind zwei Ausgangslagen denkbar die jede auf ihre eigene Art und Weise wieder auf dasselbe Resultat hinauslaufen; also dass man sich inadäquat oder unterlegen vorkommt.

Entweder traut man es sich zu auch das tun zu können was der andere getan hat oder nicht. Im ersten Fall verdächtigt man sich selbst eines Mangels an Willen und Entschlusskraft und im zweiten Fall eines Mangels an Können und Fähigkeit. Tust du was sie nicht taten, auch wenn sie es eigentlich auch wollten, dann kann es für sie nur daran liegen, dass sie es eben nicht konnten oder trotzdem versäumt haben. Und diese (unbeabsichtigte) Beleidigung können sie nicht auf sich sitzen lassen. Wer sich erlaubt und auch durchzieht, was man selber will aber nicht tun kann, dem gehört es gefälligst ausgetrieben oder am besten gleich ganz verboten. Die letztere Option (das Verbot) ist dabei deshalb besser, weil man sich damit zugleich auch rückwirkend das eigene Versagen wegrationalisieren und bisweilen auch durch eine Gefühl moralischer Überlegenheit ersetzen kann. Man könnte es ja auch tun, nur leider darf man es ja nicht (mehr), weil man sich brav an das Verbot hält. Wer es dann aber trotzdem wagt das Verbot zu übertreten, der gilt dann auf einmal als unsolidarischer Verräter auch wenn er niemandem etwas getan oder genommen und auch kein Versprechen oder Vertrag verletzt hat.

So sind es also Missgunst und Scham über den Erfolg anderer welche eine sich in Elend befindende Masse immer dazu bringt sich selbst in ihrem Elend gefangen zu halten dadurch, dass sie es sich gegenseitig antun. Das führt irgendwann dann auch dazu, dass sie gegenüber ihrer Situation nur um sie und ihre Implikationen im Bezug auf deren Selbstverschuldetheit leichter zu ertragen, anfangen erst eine Art kollektive erlernte Hilflosigkeit und schließlich eine Art Stockholmsyndrom zu entwickeln. Denn die unbequemen Fragen danach wie und ob es auch anders sein könnte und warum es (noch) nicht so ist, wagt man sich dort nicht zu stellen, wo die Antwort nur sein kann dass man selber (mit) Schuld daran ist. Dann gilt was der Einzelne nicht anders machen darf und damit auch kann (weil man ihn ja daran hindert), als dass was keiner und somit alle nicht anders machen können und schließlich auch als das was man gar nicht anders machen sollte.

Narrheit ist der Weg zur Weisheit

Ein altes Sprichwort besagt, dass der Narr würde er nur in seiner Narrheit beharren am Ende doch immer weise werden müsste. Aber wie kann das sein? Ist es nicht eigentlich der Narrheit eigen, sich jeder Einsicht, jedem Lernen und jeder Änderung des eigenen Verhaltens zu verstellen?

Hätten wir es beim Narren mit einem Roboter und nicht mit einem Menschen zu tun, so wäre dass sicherlich wahr. Aber weil der Narr nunmal ein Mensch ist, will er was er will nicht einfach weil er es will, sondern fast immer um einer anderen Sachen willen. Der Narr zeichnet sich im Gegensatz zum normalen Menschen nun dadurch aus, dass es ihm nicht reicht mit seiner Sache zu scheitern um diese aufzugeben; er muss auch dabei einsichtlich mit ihr scheitern, das zu erreichen was er eigentlich will.

Normale Menschen geben etwas immer dann auf, wenn etwas ihrer Erfahrung nach scheitert ODER sogar ihrer Einsicht nach unweigerlich zum scheitern verdammt -also vergeblich- ist. Der Narr ist in seinem Starrsinn aber nicht so leicht zu bezwingen und beharrt auch noch weiter auf seiner Sache, auch wenn er immer wieder damit scheitert. Dadurch ist er gezwungen es mit ihr so lange zu probieren bis er mit ihr am Ende doch noch Erfolg hat, oder schließlich einsehen muss dass er mit ihr überhaupt keinen Erfolg haben kann (auch dann wenn sie gelingen würde).

Er ist also gezwungen so lange zu beharren bis endlich Einsicht UND Erfahrung ihn zur Abkehr bringen.

Die Lektionen aber, die wir nicht durch die Erfahrung oder die Einsicht allein, sondern durch ihr Zusammenspiel erlernen, sind es welche letztendlich unsere Weisheit ausmachen. Und zu dieser Weisheit ist der Narr im Gegensatz zum normal bloss fähiger oder wissender werdenden Menschen regelrecht gezwungen, weil sie für ihn der einzige Weg ist, überhaupt zu erreichen was er will. Deshalb hat und kann er dann, meistens weniger als normale Menschen, aber was er kann und hat, das kann und hat er dafür richtig, weil er es wirklich selber als ganzer Mensch alleine und ohne die Krücke einer äußeren Hilfe erlangt hat.

Was ist Wahnsinn?

Wahnsinn ist Verrücktheit die zur Sucht geworden ist. Der Wahnsinnige ist genau wie der Süchtige darin gefangen immer mehr vom gleichen zu tun oder denken zu müssen, aber dafür immer weniger zurück zu bekommen und sich dabei Schritt für Schritt selbst zu zerstören, bis er selber nichts mehr wirklich hat, ist, oder tun kann.

Dies erreichen sowohl dar Wahnsinnige als auch der Süchtige dadurch, dass sie beide Unmögliches versuchen, Unerfüllbares erwarten, Unvorstellbares zu denken und Unwirkliches zu leben versuchen. Und weil sie alle dem nie genügen können, müssen sie ihre Bemühungen dahingehend immer weiter steigern, somit absolut immer höheren Aufwand aufbringen, für diesen immer weniger zurück bekommen und verhältnismäßig immer mehr verlieren, bis sie damit an den Punkt kommen, wo sie alles für nichts getan, und sich selber dadurch zu nichte gemacht haben.

Wären die Bemühungen des Wahnsinns dabei wenigstens völlig vergeblich, so würde dieser sich zumindest noch von alleine zu Ende bringen. Nur leider ist es die tragische Eigenart des Wahnsinns, dass er zwar nie sein Ziel erreichen und sich von ihm sogar immer weiter entfernen muss, aber trotzdem für sich noch genug erreicht, um sich selbst am laufen zu halten.

Dafür, dass der Wahnsinnige das Unmögliche versucht gibt es keinen eindeutigen Grund. Schließlich gibt es ja für jeden vielerlei unmögliche Dinge, an denen man sich jederzeit versuchen kann. Es gibt aber dafür sichere Gründe, bei denen man egal wer sich an ihnen versucht, davon ausgehen kann, dass sie einen zum Wahnsinn bringen müssen, weil sie für jeden notwendigerweise unmöglich sind. Diese den Wahnsinn immer und in jeder Situation versichernden Gründe zeichnen sich alle dadurch aus, dass sie einen Ersatzcharakter haben.

Der Wahnsinnige strebt also nach etwas, was er nicht wirklich braucht, an stelle dessen, was er wirklich brauchen würde, weshalb er davon auch nie genug kriegen und mit seinem Streben niemals aufhören kann. Und genau diese Ersatzbefriedigung und das Streben nach ihr, ist es welche den Wahnsinnigen zwischen den beiden Ausgangsmöglichkeiten von Aufgeben bzw. Scheitern einerseits und Erfolg bzw. Befriedigung andererseits gefangen hält und ihn immer weiter treibt. Der Ersatz bietet gerade genug Befriedigung, um durch sein Versprechen weitere Bemühungen anzuregen und genug Bestärkung, um sie (zumindest vorübergehend) weiter aufrecht zu erhalten, aber auch wieder nicht genug von beidem, um sich von ihm abwenden zu können.

Wie kann man also dem Wahnsinn entkommen? In dem man ihn aufgibt.

Man muss erst Entzug solange erleiden, bis man nicht einfach den Ersatz, sondern dass was man eigentlich braucht vermisst und sich so dessen bewusst wird. Man muss sich sozusagen erlauben solange den Schmerz zu fühlen, bis man merkt woher er wirklich kommt, bevor man sich daran machen kann, das ihm zu Grunde liegende Übel zu behandeln. Und wenn man ihn dann behandelt, so sollte man sich desjenigen Heilmittels bedienen, von dem man merkt dass man mit der Zeit immer weniger nach ihm dürstet, weil man auch immer weniger von ihm braucht, da es ja immer mehr geheilt hat.

Was ist Illusion?

Eine lllusion beruht im Gegensatz zur blossen Einbildung immer auf etwas realem. Man nimmt dieses reale zwar wahr, aber nicht so wie es wirklich ist. Das kann entweder an einem selber liegen oder in der Natur der Sache die man betrachtet, aber in den meisten Fällen ist es eine Mischung aus beidem.

Was auch immer die Illusion hervorruft, man kann es immer bemerken, auch wenn man es nicht unbedingt verstehen oder (wieder-) erkennen kann, während man meistens zugleich aber nicht erkennen kann das man unter einer Illusion steht. Die Illusion verbirgt also in der Regel sowohl das Illusionsobjekt als auch sich selber, und endet demzufolge auch meistens genau an dem Punkt wo wir uns ihrer gewahr werden. Damit ist der erste Schritt eines Auswegs aus der Illusion oft erst einmal nur zu erkennen, dass man sie überhaupt hat ohne genau sagen zu können wie und worüber.

Daraus ergibt sich aber ein Wiederspruch. Denn müsste man um zu erkennen, dass der Eindruck von einer Sache falsch ist nicht eigentlich zuerst wissen wie sie wirklich ist? Wie kann es dann möglich sein zu erkennen, das etwas nicht so ist wie es scheint ohne es in seinem wahren Sein schon erkannt zu haben? Dieses Rätsel ist wohl nur dadurch lösbar, dass man den Zustand des Illusioniertseins in dem man selber sich befindet, erkennt bevor man der Frage nachgeht was denn nun wirklich wirklich ist und was nicht. Es ist eben einfacher zu bemerken, dass man sich etwas einbildet als worüber genau man es tut.

Was unterscheidet nun den Zustand des illusioniertseins bzw. der Einbildung von dem der normalen Wahrnehmung? Oder mit anderen Worten: Was ist die Natur der Illusion? Jede Illusion ist schon mal ein Art Mustererkennung (bzw. Fehlerkennung), wobei die Muster stets unserer Verständlichkeit angepasste Wahrnehmungen sind. Wir sehen die Dinge in der Illusion also einfacher, verständlicher, erträglicher und sinnhafter als sie wirklich sind (z.T, erkennen wir natürlich auch Muster die überhaupt nicht existieren). Daraus können wir nun im Umkehrschluss ableiten, dass was wir sehen in dem Maß wie es zu einfach, zu verständlich, zu erträglich und zu sinnhaft -also kurz, zu musterhaft- ist, immer auch wahrscheinlich eine Illusion ist.

Zu musterhaft ja, aber zu musterhaft im Vergleich womit? Welches Muster und welches Maß an Musterhaftigkeit, kann ich von der gegebenen Sache oder villeicht auch von der Welt allgemein vernünftigerweise erwarten? Wie viel Sinn macht die Welt und wie viel die Dinge in ihr? Nun die Antwort auf diese Frage fällt mir auch nicht ein. Aber ich denke man kann doch zumindest trotzdem auf das achten, was aus dem Normalen auffällig hervorsticht, ohne das normale selber genau kennen zu müssen. In den meisten Fällen ist es sogar so, dass wir erst durch Rückschluss vom Abnormalen überhaupt erst auf das Normale aufmerksam werden um es dann zu verstehen zu beginnen.

Veränderung, Evolution und ihre Bedeutung für unser Leben

Evolution ist im wesentlichen die Kombination von Variation, Selektion und Reproduktion in genau dieser Reihenfolge und mit stetiger Wiederholung auf Basis der vorhergehenden Ergebnisse.

Mit Hilfe dieses wesentlichen Grundmusters, kann man bei Anwendung auf Bereiche ausserhalb ihres Ursprungs in der Biologie, evolutionäre Prozesses entdecken und ausdifferenzieren. Dabei fällt auf, das diese in allen Domänen menschl. Lebensverhältnisse vorkommen und jeweils, gemäß der Konstellation ihrer drei Faktoren (also wie viele es von ihnen gibt und in welcher Beziehung sie -falls überhaupt- zueinander stehen) dort entsprechend ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen.

So gibt es z.B. auf der Ebene menschl. Kultur und ihrer Inhalte, das bekannte Phänomen sogenannter „Meme“ also von Ideen, Vorstellungen oder Konzepten, deren Verbreitung und Evolution analog zu denen der Viren aufgefasst wird. Diese Analogie mag nun der Tiefe und Komplexität menschl. Kultur und ihrer Evolution gerecht werden oder nicht, in jedem Fall erfasst sie aber wenigstens die wesentliche Tatsache, dass diese überhaupt einer Art evolutionärer Dynamik unterliegt.

Auf der Ebene des einzelnen Menschen wiederum, ist mit dem Wissen über die Ausprägung von Verhaltensmustern durch die Mechanismen der Konditionierung in der Theorie des Behaviourismus, implizit eine Evolutionstheorie menschl. Verhaltens gegeben, welche besonders die Selektion von Verhalten durch positive bzw. negative Verstärkung und Bestrafung verdeutlicht. An diesem Beispiel lässt sich nun wiederum erkennen, dass man Theorien von Veränderungsprozessesn auf ihren impliziten evolutionären Erklärungsgehalt untersuchen kann.

Will man also einen Sachverhalt evolutionär betrachten sollte man sich folgendes fragen: Welche Veränderungsprozesse unterliegen ihm?; Inwieweit sind diese evolutionär?; Wo ist jeweils Variation, Selektion und Reproduktion erkennbar? und schließlich; Welchen Gesetzmäßigkeiten folgen diese und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Dazu gehört dann auch sich im Detail zu fragen was, in welchem Ausmaß und abhängig wovon variiert,selektiert und reproduziert wird.

Auf einer höheren Reflektionsebene würde sich dann zusätzlich noch die Frage danach ergeben inwieweit die Verhältnisse der Evolution selber wirklich stabil sind, oder ebenfalls einer Veränderung oder Evolution unterliegen. Dafür muss man sich entsprechend die Frage danach stellen inwieweit der Charakter des Veränderungsprozesses eines Dinges, von den bei ihm bewirkten Veränderungen durch deren Rückwirkung, in Form neuer Veränderungsbedingungen auf ihn selber, ebenfalls verändert wird.

Genau diese Dynamik einer sich durch Rückwirkung stets selbst verändernden Veränderung ist beim Menschen und seinen sozialen, kulturellen und politischen Verhältnissen der Fall. Das bedeutet, vereinfacht gesagt, dass der Mensch dasjenige Wesen ist welches sich im Rahmen seiner Evolution die Bedingungen dieser stets neu selber stellt. Und das tut er egal ob er es nun wissentlich, willentlich oder bewusst tut. Wenn er es aber bewusst nach eigenem Wissen und Willen tut, ist er dazu in der Lage, aus der blossen Veränderung einer Evolution auch eine wirkliche Entwicklung nach den Bedingungen seines Willens zu machen.

Und genau deshalb, sollten wir, wenn uns die Bedeutung des Verlaufes unser eigenen immerwährend stattfindenden Evolution für unser Schicksal bewusst ist, unser Tun stets kritisch darauf untersuchen welche Bedingungen für Variation, Selektion und Reproduktion wir uns selber selber dadurch stellen und inwieweit, dass was wir tun bereits Resultat von solchen Bedingungen ist.