Was ist Freiheit?

Freiheit ist eine Illusion. Niemand will Freiheit im abstrakten Sinn. Wir wollen immer nur die Freiheit zu dem, was wir konkret wollen (selbst wenn wir (noch) nicht genau wissen, was es ist). Frei sind wir also in dem Maße, wie wir kriegen und tun können, was wir wollen, egal was genau es ist.
Diese positive Freiheit, die Freiheit, die in den uns gegebenen und für uns relevanten Möglichkeiten liegt, setzt stets eine komplementäre negative Freiheit voraus. Wir müssen also negativ frei davon sein, in dem, was wir kriegen und tun oder auch nur bereits wollen können, durch andere eingeschränkt oder vorbestimmt zu werden. Schließlich kann man nicht frei zu etwas sein, wenn man nicht frei von denen Dingen, ist die es einem verhindern.

Frei ist, wer Optionen hat; und ist dabei in dem Maß frei, in dem er sie hat. Optionen hat er in dem Maß, wie sich ihm möglichst viele, möglichst weitgefasste und möglichst erfolgsversprechende Möglichkeiten bieten, das zu bekommen was er will.
Um also frei zu sein, reicht es nicht, einfach nur möglichst viel erlaubt zu bekommen, man muss es selber, auch ohne störende Einmischung, überhaupt erst erreichen können. Denn was nützt schon die Abwesenheit von Hindernissen und Einmischung auf dem Weg etwas zu erreichen, wenn er selber für einen nicht bewältigbar ist oder nicht einmal sicher zu seinem Ziel führen kann? Was, wenn es das anvisierte Ziel nicht gibt, oder nicht einmal geben kann?
Und da wir selten immer nur eines und noch viel seltener nur einfach irgendwas wollen, reicht es auch nicht, einfach nur, möglichst viele, möglichst erreichbare Optionen zu haben; sie müssen sich auch bedeutungsvoll unterscheiden, aber einen trotzdem immer noch etwas angehen (also relevant für das, was man will, sein).
Darüber hinaus reicht es für diese Optionen auch nicht einfach nur anstrebenswert zu sein; sie müssen es auch noch mehr sein als der, Aufwand den es erfordert um sie anzustreben. Denn was könnte sich vernünftigerweise als Option bezeichnen, wenn es einem nicht mehr verspricht von dem was man will, als es von dem was man nicht will erfordert?

Wir müssen hier allerdings beachten, dass wir auch nur in dem frei sein können, was uns realistisch betrachtet auch möglich ist und nicht durch unsere eigenen Voraussetzungen oder die der Realität mit ihren gesetzesmäßig beschränkten Möglichkeiten verwehrt wird.
In einem gewissen Sinn darf die Realität sogar keine endlose Möglichkeiten bereithalten und muss immer über ein Eigenleben verfügen, das von uns erfordert, dass wir uns erst daran anpassen, um dann dadurch erst dessen Möglichkeiten sinnvoll wahrnehmen und sie nach unserem Willen formen zu können. Wäre es nicht so und die Realität wäre eine reine Reflektion unserer Wünsche, so würde die Grenze zwischen uns und ihr verschwimmen. Wir würden dann beide aufhören, in irgendeinem bedeutungsvollen Sinn zu existieren, wodurch auch keine Freiheit mehr möglich wäre.

Oder anders gesagt: Wenn alles möglich ist, ist nichts mehr wirklich sinnvoll erreichbar und für uns somit auch subjektiv weder wahrnehmbar noch erreichbar. Es muss zumindest für uns immer erst etwas geben, das einfach nur ist, und dadurch erst dann etwas, dem wir mit unserem Willen begegnen können. Gäbe es diese Grenze zwischen uns und der Wirklichkeit nicht, könnten wir genau so wenig etwas von ihr wollen, wie es uns überhaupt noch geben könnte.
Freiheit ist also nicht einfach Wunscherfüllung, sondern erfordert immer ein distinktes, geordnetes, anderes Etwas, welches in sich durch seine Struktur und Gesetze gegebene Möglichkeiten enthält und uns somit erst Möglichkeiten, über es frei nach unserem Willen zu bestimmen, gibt. Gibt es kein bestimmtes anderes oder ist es durch uns nicht veränderbar, können wir also auch nicht frei sein.

Das gilt nicht nur im metaphysischen Sinn, sondern auch im Bezug auf das Soziale. Eine freie Gesellschaft muss überhaupt erstmal eine Gesellschaft sein. Wo es keine Gesellschaft gibt, gehen uns die durch sie gegebenen Möglichkeiten und damit die Freiheit im Umgang mit diesen notwendigerweise verloren. Und damit es eine Gesellschaft geben kann, in der wir dann frei sein können, kann diese auch kein Raum endloser Möglichkeiten sein, sondern muss eine Struktur haben, welche wiederum mit Einschränkungen verbunden ist.
Allgemein lässt sich wohl sagen, dass Freiheit in der Realisierung der uns gegebenen Möglichkeiten liegt. Nur können wir eben nicht endlose Möglichkeiten haben. Sowohl deren Existenz, als auch deren Realisierung verlangen von uns immer Einschränkungen ab. Damit soll natürlich nicht gesagt, sein, dass umgekehrt mehr Einschränkung immer zu mehr Freiheit führen muss, nur dass sie sinnvoll nicht ohne Einschränkung realisierbar ist.

Da wir Menschen nun mal soziale Wesen sind, präsentiert sich hier nun ein eigenartiges Problem:
Das andere, worüber wir unserem Willen gemäß frei bestimmen möchten, ist meistens entweder etwas, worüber auch andere bestimmen möchten, oder sogar selbst ein anderer/ andere. über die/den wir frei bestimmen möchten.
So kommt also, das was wir wollen meistens unweigerlich in Konflikt steht mit dem, was Andere wollen, entweder weil sie das selbe von einer Sache wollen, oder von einer selben Sache anderes wollen.

Durch diese Widersprüche und Konflikte ist es für uns alle praktisch unmöglich, maximal frei zu sein. Maximale Freiheit für alle ist in Wirklichkeit leider immer nur die Maximierung der Freiheit derjenigen, welche ihren Willen gegen und auf Kosten anderer durchsetzen.
Wenn wir also das größtmöglichste Maß an Freiheit für alle erreichen wollen, bei dem wir alle möglichst viel von dem kriegen und tun können, was wir wollen, weil wir uns dabei möglichst wenig gegenseitig in die Quere kommen, brauchen wir ein Arrangement, in dem jeder Einzelne von uns nur kriegen und tun kann, was er will, wenn er es zuerst auch jedem anderen gewährt oder bestenfalls sogar noch bedient.

Nun können wir aber dieses Kalkül weder in jedem einzelnen Fall noch für die Gesamtheit aller möglichen Fälle von Freiheitskonflikten durchführen und erst recht nicht erwarten, dass der andere es uns gleichtun wird. Deshalb brauchen wir eine apriorische Basis für einen pauschalen moralischen Imperativ der gegenseitigen Rücksichtnahme und Zurückhaltung als Grundlage für ein möglichst freies Zusammenleben.
Hier sind also Humanismus, Religion, Tugendethik und alle sonstigen ethischen Systeme gefragt, uns beizubringen, darauf zu verzichten auf das Leben anderer und auf die unbedingte Erfüllung unseres Willens Anspruch zu erheben, um uns so allen ein Leben in Freiheit zu gewähren, während es das in unserer Zeit als freiheitlich missverstandene libertine Denken, als Illusion und Deckmantel für die Freiheit derjenigen, die sich durch ihre Übermacht durchsetzen, bei ungleich größeren Kosten für alle anderen, zu durchschauen gilt.
Gilt die Maxime „Tu was du willst, sei das ganze Gesetz“, so wird dies immer nur dazu führen, dass diejenigen ihren Willen zum Gesetz der anderen machen, die sich damit am besten (ob nun durch Gewalt oder List) durchsetzen können.
Schauen wir also erst darauf, dass unsere Freiheit nicht mit anderen in Konflikt gerät und überlegen wir erst dann, was wir von dem was wir tun wollen, auch wirklich tun können und sollten. So werden wir uns unsere Freiheit am besten erhalten.

Kommentar verfassen