Eitler Idealismus

Wer die Wahrheit wegen des Dogmatismus, die Moral wegen der Heuchelei, die Spiritualität wegen des Aberglaubens, den Glauben wegen des Fanatismus und die Politik wegen der Korruption verschmäht, wird sich dabei immer nur selber ein Bein stellen, auch wenn er meint, dabei einen Fortschritt zu machen.

Solch ein Befreiungsschlag käme der Heilung der Krankheit eines Patienten durch seinen Tod gleich. Nur wird der betroffene Patient in dieser Angelegenheit nicht sterben, sondern nur zum Zombie werden.

Denn hält man sich aus den Angelegenheiten der Menschen heraus, weil man sich zu fein dafür ist oder sie ob ihrer Übel leid wird, so werden sie dadurch weder besser, noch aus der Welt geschafft, sondern nur ihren schlimmsten Elementen überlassen. Was man aufgibt, ist damit immer verloren, aber doch nie vergangen. Man kann nichts mehr daraus gewinnen und es auch nicht für sich gewinnen, verlieren kann man daran allerdings immer noch alles, was man hat.

Steckt man mit seiner resignierten Haltung auch noch alle anderen an, die sich durch ihre Resonanz dafür als genau diejenigen erweisen, die es eigentlich bräuchte, bleiben nur noch diejenigen übrig, die sich daraus aus eigenem Interesse beteiligen. Und um sich in solchen anspruchsvollen und anstrengenden Angelegenheiten zu betätigen und zu bewähren, braucht es ein Ausmaß an ambitioniertem Eigeninteresse, dass seine Intensität nur aus Opportunismus oder Böswilligkeit beziehen kann.

Wehe dem Idealismus, der sich zu fein ist, mit den Dingen in Berührung zu kommen, die ihm selber nicht entsprechen. Er macht sich überflüssig und seinen Idealismus dabei zur Farce. Er wird stets zu selbstmitleidiger Wirkungslosigkeit und mit der Zeit auch immer zur Niederlage verdammt sein.

Denn sollte das Ziel des Idealismus nicht eigentlich darin liegen, sich genau in diejenigen Dinge einzumischen, die unter ihm und seinen Ansprüchen liegen und diese dabei zu bessern suchen und bei uns durch die darin enthaltene Herausforderung Selbstverbesserung zu bewirken?

Ist das Höhere sich zu fein für das Niedere, wird es dieses niemals auf das eigene Niveau heben und sich auch selber auf Dauer nicht halten können.

So wie das Gute der Feind des Besseren ist, können Ideale leicht der Feind realer Verbesserung sein, wenn man es sich zu bequem in ihnen macht. Was aber real nicht verbessert wird, wird verfallen müssen. Und wenn man in die Realität nicht herabzusteigen wagt, so wird sie einen früher oder später einholen und herunterziehen.

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