Was ist Solipsismus?

Niemand ist sicherer versklavt, als derjenige, welcher fälschlicherweise glaubt frei zu sein, niemand ohnmächtiger, als wer fälschlicherweise glaubt, allmächtig zu sein, niemand ahnungsloser als wer fälschlicherweise glaubt, allwissend zu sein und niemand unfreier als wer fälschlicherweise glaubt, alles unter Kontrolle zu haben.

Was man glaubt, sicher zu haben, wird man verlieren, wo man es hat und nicht gewinnen können, wo es einem fehlt. Je mehr man die Welt leugnet, umso mehr hat sie einen im Griff. Je mehr man sich selbst überhöht, umso kleiner macht man sich dadurch. Je mehr man sich überschätzt, umso schwächer macht man sich dadurch.

So erfordert alles, was wir erstreben, dass wir zuerst dessen Mangel und alles, was wir erhalten wollen, dass wir zuerst dessen Vergänglichkeit anerkennen. Dazu braucht es noch die Einsicht, dessen was es genau zu Erlangen oder Erhalt erfordert, die Einsicht darin, was wir dafür tun können, die Bereitschaft dazu und schließlich die Umsetzung dieser Schnittmenge zwischen Nötigem und Möglichem.

Natürlich müssen wir bei all dem auch noch allerlei Hindernisse, Widrigkeiten und nicht zuletzt auch unser eigenes Scheitern konfrontieren und bewältigen.

Je realistischer wir sind, umso höher sind unsere Chancen, umso geringer aber auch unsere Motivation, diese wahrzunehmen. Deshalb reden wir uns die Realität ja auch so oft schön, um die Kraft zu finden, sich ihr zu stellen. Aber was nützt das uns, wenn wir diese Kraft nicht richtig einzusetzen wissen?

Insofern wir die Realität nur so weit verzerren, dass wir uns gerade nur so viel schönreden, wie es braucht, um überhaupt ins Handeln zu kommen, mag dies noch funktionieren. Treiben wir es jedoch noch weiter, sind wir nicht mehr nur unrealistisch, sondern solipsistisch.

Solipsismus ist vom Prinzip das Gegenteil von Realismus und in der Praxis sein größter Feind. Dass es keine Realität gibt, können wir meinen, wirklich glauben können wir es allerdings nicht. Wir können allerdings glauben, dass es keine Realität außer uns gibt, dass wir selber also die ultimative Realität sind. Und eben das ist Solipsismus.

Dieser solipsistische Glaube ist auf den ersten Schein vielversprechend. Denn was könnte einem mehr Hochgefühl verschaffen und mehr Schutz gegen Sorgen, Nöte und Zweifel bieten, als der Glaube, nicht nur der Mittelpunkt des Universums, sondern sogar das Universum höchstselbst zu sein?

Dieser Glaube, stellt sich konsequent zu Ende gedacht, allerdings nicht als Segen, sondern als Fluch heraus (neben seinen praktischen Problemen). Denn wären wir allmächtig, so müssten wir auch an allem Schuld sein, v.a. auch an dem, was uns passiert. Wir wären allmächtig, aber zugleich doch impotent. Wir könnten alles beherrschen, doch nicht uns selber, eben deshalb, weil es uns selber nicht mehr gibt.

Allmacht bedeutet, mit der Welt zu verschmelzen und so als Individuum nicht mehr zu existieren. Denn Individualität erfordert Grenzen und diese sind wiederum nicht ohne Beschränkung zu haben. Wir würden uns also zum Sklaven der Welt machen, zu deren Gott wir uns erhoben haben.

Wir wären dabei aber auch zu ewiger Einsamkeit und Bedeutungslosigkeit verdammt. Wo wir uns selber eine Welt sind, nur um deren Gott zu sein, kann es keine anderen Menschen mehr geben, zu denen wir Beziehungen haben könnten und nichts außer uns, für das wir eine Bedeutung hätten, oder dass uns irgendwas bedeuten könnte. So ein Leben kennt keinen Anfang und kein Ende, keine Vergänglichkeit und keine Veränderung, keine Struktur und keinen Sinn.

Würde unser Solipsismus wahr werden, wäre unsere Existenz eine einzige Tortur, die uns unser eigenes Versagen und unsere eigene Bedeutungslosigkeit immer wieder aufs Neue vorführt und damit ein einziger großer Witz auf eigene Kosten.

All das erfahren wir, sobald wir uns auch nur subjektiv in Solipsismus begeben, auch wenn er objektiv nicht der Fall ist. Sobald wir nur glauben, dass wir die Welt sind, machen die Implikationen und die Perspektive unserer Weltsicht uns bereits miserabel und wahnsinnig.

Wenn wir also alle auch nur allzu gerne Gott unser eigenen Welt wären, sollten wir doch nun einsehen, dass so ein Unterfangen immer nur gefährlich und dumm sein kann und dass wir, wenn wir ihm nicht nachgehen, nichts zu bedauern oder zu vermissen haben.

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