Was ist plausible Anschuldbarkeit?

Allgemein liegt der Sinn einer Anschuldigung darin, zu einer Beurteilung anzuregen, welche zu einer Verurteilung und damit dann zu Vergeltung, Einschränkung oder Schädigung führen soll.

Es werden aber nicht alle Anschuldigungen immer in einer Beurteilung erwägt, nicht alle Beurteilungen mit einer Verurteilung beendet und nicht alle Verurteilungen mit ernsthaften Konsequenzen vollzogen.

Dennoch können Urteile oder auch nur Anschuldigungen, allein dadurch dass sie im Raum stehen, bereits dem Betroffenen schaden, auch wenn sie zu keiner vollzogenen Verurteilung geführt haben. Nicht selten werden sie ja genau zu diesem Zweck in die Welt gesetzt.

Das Ziel von Gerüchten z.B. liegt nicht darin, bestätigt zu werden, sondern Gerücht zu bleiben. Eine Bestätigung, würde dem Gerücht womöglich sogar noch schaden, da es nun keine Neugierde mehr erweckt und die Menschen das Interesse daran verlieren würden.

Dasselbe was hier für unbestätigte Anschuldigungen gilt, gilt auch für unvollzogene Urteile. Sie werden nicht gefällt, um andere direkt zu schädigen oder einzuschränken, sondern um sie als Verurteilte zu markieren. Dass sie nicht vollzogen werden, hat dabei den Vorteil, dass man bei so einem Manöver bloßer Stigmatisierung nicht mit allzu viel Skepsis, Gegenwehr oder Sympathie für den Verurteilten zu rechnen hat. Man schadet einem anderem so zwar nicht selber, gibt aber allen anderen die Motivation und Rechtfertigung dazu.

Das unvollzogene Urteil, das weiterhin im Raum steht, lädt jeden dazu ein es selber nach eigenem Ermessen (und nach eigenen Beweggründen) zu vollstrecken. Man wird durch unvollzogene Urteile sozusagen vogelfrei gemacht. Sie geben jedem einen Grund der Zielperson zu schaden, der es glaubt und allen anderen einen Vorwand, auch wenn sie es nicht glauben.

Und nicht nur das: Durch jede vorhergehende Anschuldigung und Verurteilung werden alle darauf folgenden immer glaubhafter. So kann aus einem Gerücht oder Stigma schnell ein Teufelskreislauf von Verdacht und (Vor-)Verurteilung werden und unliebsame Personen so zum Sündenbock gemacht werden.

So wird sowohl durch unbestätigte Anschuldigungen in Form von Gerüchten, als auch durch unvollzogene Urteile als Stigmatisierung eine Art plausibler Anschuldbarkeit hergestellt.

So wie die plausible Abstreitbarkeit das Ziel hat, etwas tun zu können, ohne sich dafür verantworten zu müssen, hat die plausible Anschuldbarkeit das Ziel, andere zur Verantwortung zu ziehen, ohne dass sie dafür etwas getan haben müssten und ihnen zu schaden, ohne selber gegen sie vorgehen zu müssen.

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