Müdigkeit hat immer genau so viel damit zu tun, was es noch Weiteres zu tun gibt, als damit, wie viel man bereits getan hat.
Wir wägen unbewusst stets die Anstrengung, die das weitere Wachbleiben, zusammen mit der unter ihm ausgeführten Tätigkeit erfordert, ab gegen das, was wir uns davon versprechen. Und wenn es nicht (mehr) genug zu tun gibt, was die immer weiter steigende Anstrengung des Wachbleibens rechtfertigt, werden wir müde.
Wir werden also vielmehr müde, um eine weitere Belastung, die uns nicht mehr lohnend erscheint, zu vermeiden, als um uns von der bisherigen zu erholen. Die bisherige Belastung spielt dabei nur indirekt immer die Rolle, dass sie durch die bei ihr akkumulierte Erschöpfung jede weitere Belastung umso schwerwiegender macht.
Guten Schlaf hat man demzufolge, wenn man genau so viel und genau zur richtigen Zeit an Müdigkeit empfindet, wie es erforderlich ist, um den Schlaf zu bekommen, den man objektiv braucht. Dabei braucht man objektiv immer so viel Schlaf, wie man Energie und damit Belastbarkeit benötigt, um sich im Wachbleiben bei all den Tätigkeiten anzustrengen, die ihren Aufwand noch wert sind.
Hier kann es zu zwei Abweichungen dieses Ausgleichs, zwischen unserer Tatkraft (also unserem Energieniveau) und unserem Tatendrang (also den anstehenden und subjektiv lohnenswerten Tätigkeiten), kommen.Wir können entweder mehr Tatendrang als Tatkraft haben und werden dadurch „übermüdet“ (die Ironie dabei ist, dass wir ja eigentlich nicht zu viel Müdigkeit verspüren). Dieser Zustand wird sich in den meisten Fällen, früher oder später, von selber korrigieren, weil sich der Körper mit seinen Bedürfnissen auf Dauer immer gegen den Willen durchsetzt, welcher diese nicht respektiert.
Wir können aber auch nicht genug Tatendrang für unsere Tatkraft haben. Dieser Zustand führt dann zu einer Art allgemeinen Lethargie, also einer tatsächlichen „Übermüdung“. Wir fühlen uns dann nicht unbedingt erschöpft, aber trotzdem müde, weil es für uns einfach nichts gibt, wofür sich die Mühe des Wachbleibens noch lohnen würde. Da wir aber auch dann, wenn wir keine Ziele haben, nie wirklich untätig sein können, wird unser Tatendrang zu einem Streben nach Zerstreuung. Wir streben dann danach, uns immer mit irgendwas zu beschäftigen – sehr oft auch mit uns selber – , bis wir irgendwann aus Erschöpfung, oder auch nur aus Langeweile, müde werden. Verliert eine Sache dann ihren Reiz für uns, sagen wir auch oft, dass wir „ihrer müde werden“.
Es ist also stets leichter und damit auch immer stets wahrscheinlicher, mehr Müdigkeit zu empfinden (was nicht unbedingt heißen muss, auch wirklich müde zu sein), als zu viel, weil es auch leichter ist zu unterschätzen, anstatt zu überschätzen was es noch Lohnendes zu tun gibt. Letzteres erfordert schließlich erst einmal die Anstrengung des eigenen Vorstellungsvermögens (diese kann dabei selber zu einem Faktor der Erschöpfung und damit auch der Ermüdung werden), während ersteres unserer natürlichen Denkfaulheit und Ignoranz in die Hände spielt.
Je länger wir dabei einer Sache nachgehen, umso weiter ermüden wir dabei, weil wir mit der Zeit immer mehr aus uns und genauso aus ihr herausholen, so dass sie immer anstrengender wird und immer weniger bereithält, was sich noch weiterhin lohnen würde.
Um wirkliche Übermüdung zu verhindern, müssen wir also stets das tun, was uns erschöpft und uns dabei verhältnismäßig möglichst wenig müde macht. Wir überwinden die Müdigkeit nicht dadurch, dass wir sie bekämpfen (das erschöpft uns meist nur und macht uns damit noch müder), sondern indem wir uns Dinge suchen, die uns dabei helfen, wach zu bleiben, indem sie uns möglichst gute Gründe dafür geben. Da aber auch diese sich mit der Zeit erschöpfen, sollten wir sie wechseln, wenn wir sie ermüdet haben, bevor sie uns ermüden.