Was ist Demokratie?

Unsere populäre Vorstellung von Demokratie geht davon aus, dass Demokratie die Herrschaft des Volkes ist, entweder über sich selbst (direkte Demokratie), oder über die an seiner Stelle Herrschenden (repräsentative Demokratie). Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Denn egal wie stark eine Herrschaft auch immer sein mag, man muss sich doch immer die Frage stellen, inwieweit sie selber nicht auch wiederum beherrscht wird oder beherrschbar ist.

In der Demokratie nun gestaltet es sich wie folgt: Die Herrschaft des Volkes ist stets die aller Einzelnen übereinander, sowie die ihrer Gesamtheit über jeden Einzelnen zugleich, wobei Letzteres überwiegt. Jeder Einzelne, und damit auch die Gesamtheit des Volkes, passt sich stets dem Eindruck der Mehrheitsmeinung an. Demokratie ist also nicht die Herrschaft der Mehrheit, sondern die Herrschaft der Öffentlichkeit als Stellvertreter der Mehrheit, unter der Bedingung verschleiernder Illusion. Die öffentliche Meinung kann nur solange die der Mehrheit sein und damit die Mehrheit selber beherrschen, wie diese sie auch für ihre eigene hält.

Demokratische Legitimität ist also immer eine Illusion. Sie beruht nicht auf dem, was die Mehrheit tatsächlich denkt, fühlt oder will (die sog. Mehrheitsmeinung), sondern was jeder Einzelne (und damit auch die Gesamtheit aller) denkt, was die Mehrheit denkt, fühlt und will (die öffentliche Meinung). Ersteres wird sich dabei immer früher oder später Letzterem anpassen, und Letzteres den Kräften, denen es gelingt auf die öffentliche Meinung den stärksten Einfluss zu nehmen und dabei die Illusion, dass sie es gerade nicht tun, am besten aufrechterhalten und bewahren können. Das führt nun dazu, dass sich subtile, unpersönliche und unbewusste Kräfte gegenüber offenen, direkten und harten durchsetzen und dadurch zwar weniger zwanghaft aber auch weniger transparent wirken.

Hierin liegt auch die versteckte Stärke der Demokratie. Ihr illusionärer Charakter ist in dem selben Maß, wie er für das Volk eine Verschleierung tatsächlicher Machtverhältnisse ist, immer auch eine Bedingung, diesen Schleier unter dem sich die Macht verbirgt, durch ein gewisses Maß an Zurückhaltung weiterhin aufrechtzuerhalten. Dass hier immer unter dem Deckmantel der Illusion operiert wird, hat also den Vorteil, dass auch nur unter diesem Deckmantel operiert werden kann. Deshalb verbietet es sich auch, allzu schnell und/oder allzu hart die eigene Macht auszuüben, um sich nicht bloßzustellen und den schützenden Schleier dadurch zu verlieren.

Genauso wie die Erfordernisse der Aufrechterhaltung des Eindrucks von Demokratie die Machthaber einschränken, schränken sie auch unsere Sicht auf ihr Handeln und damit unsere Möglichkeiten, sie zur Verantwortung zu ziehen, ein.

Wir sind zwar freier wie in anderen Systemen, aber nicht annähernd so viel mehr freier wie wir denken und denken wollen und gerade deshalb immer viel weniger frei, als wir es eigentlich sein könnten.

Demzufolge, erfordert die Aufrechterhaltung von Freiheit in der Demokratie weniger das Bewusstsein und die Kritik von denen, die über das Volk formal und abhängig von dessen Toleranz zu ihnen – zumindest vermeintlich – herrschen, sondern das Selbstbewusstsein des Volkes, im Bezug darauf, wie es selber denn nun durch die öffentliche Meinung beherrscht wird. Macht gilt es hier zuerst in der Wirkung, die sie in einem selber hervorbringt, zu erkennen und erst anschließend auf ihre Quelle zurückzuverfolgen. Es ist also die Pflicht eines jeden Bürgers, sich, bevor er eine Entscheidung trifft, immer zuerst der Kräfte, die er durch ihre Wirkung auf ihn selber bemerken kann und die ihn in dieser Entscheidung auch immer beeinflussen werden, gewahr zu werden und sich ihres Einflusses zu erwehren

Kommentar verfassen