Ehre zu haben bedeutet Werte zu Erwartungen und Erwartungen zu Ansprüchen zu machen.
Dabei führen zuerst die Werte dazu, dass man anfängt sie zu erwarten. Diese Erwartungen führen dann dazu, dass man selber versucht ihnen zu genügen. Die Ansprüche führen dazu, dass man versucht den Werten zu genügen die andere von einem erwarten und auch sie dazu zu bringen nach den eigenen Werten zu streben.
Durch Ansprüche werden also Erwartungen, sozial gegenseitig bestärkt und eingefordert. Erwartungen und Ansprüche sind also der Weg auf dem wir individuell und gemeinsam unsere Werte bestärken und realisieren.
Dies führt dazu, dass wir eine Vorstellung von Status entwickeln die sich daran bemisst inwieweit wir bestimmten Werten genügen. Von diesem Status der Ehrenhaftigkeit machen wir dann den Wert und den sozialen Status der Menschen abhängig und entwickeln ein Gefühl dafür welches uns dazu anleitet nach Ehrenhaftigkeit zu streben: Das Ehrgefühl. Je mehr wir unser Selbstwertgefühl und unser Ego nun mit diesem Ehrgefühl in Verbindung bringen, umso mehr wird es zu einem Teil unserer Identität. Dadurch kommt nun zur extrinsischen Motivation für ehrenhaftes Verhalten auch eine intrinsische dazu.
Die ganze Sache hat jedoch einen gewaltigen Haken. Ehre verlangt von uns -ob nun durch unser Gewissen oder durch andere Menschen-, dass wir hinter dem was wir glauben und äußern auch tatsächlich stehen. Mehr noch aber verlangt sie, dass wir uns und den anderen den Eindruck vermitteln, dass wir es tun. Und nicht selten ist so, dass wir dabei entweder den Eindruck anstatt oder sogar entgegen der Ehre im eigentlichen Sinn zu bewahren versuchen.
Die Gefahr besteht hier darin, dass es uns mehr darauf ankommt als was wir gelten, denn was wir tatsächlich sind, v.a. dann wenn wir auch selber denken dass wir das sind als was wir gelten. Die Ironie hier besteht darin, dass der selbe Weg welcher uns dazu führt ehrenwerten Erwartungen und Ansprüchen zu genügen sie zugleich genau so stark untergräbt. Das äußere Gewand der Ehrenhaftigkeit verbirgt und untergräbt unsere inneres und eigentliches Ehrgefühl.
Bedenkt man dies, so muss man zu dem Schluss kommen, dass eigentlich nur ein Wert wirklich alleinig und unbedingt der Ehre würdig sein kann und somit immer über allen anderen stehen muss: Der Wert der Ehrlichkeit in unseren Handeln bzw. der Wahrhaftigkeit in unseren Behauptungen.
Denn wollen wir die Dinge richtig beurteilen und entsprechend bewerten so ist es erforderlich, dass wir sie so sehen wie sie auch wirklich sind. Und um andere so sehen zu können wie sie wirklich sind, müssen wir von ihnen verlangen dass sie sich auch als das offenbaren was sie wirklich sind.
Dasselbe gilt für uns Menschen in unseren Angelegenheiten mit-und untereinander. Wollen wir richtig miteinander umgehen, so müssen wir uns gegenseitig auch so sehen wie wir wirklich sind, und dafür wiederum müssen wir uns auch so geben wie wir wirklich sind. Dies zu tun ist eine Frage der Ehrlichkeit in der Hinsicht, dass es für uns darauf ankommt, das zu tun was wir sagen und das zu sagen was wir tun und eine Frage der Wahrhaftigkeit in der Hinsicht dass es darauf ankommt nur das als wahr zu behaupten von dem wir nach gewissenhafter Prüfung auch wirklich ausgehen können, dass es wahr ist und nur die Überzeugungen zu vertreten die wir auch wirklich haben. Ob dies dann nun als ehrenhaft gilt und anerkannt wird sollte dabei nur an zweiter Stelle von Belang sein.
Im Zweifelsfall ist es also mehr zu ehren, wenn jemand zu seinen Taten steht als ihn für diese zu verdammen auch wenn sie schlecht sind. Die Frage nach der Moral oder der Gefahr bei diesen Taten ist dabei natürlich eine andere. Ehre kann zwar und sollte auch von Moral und praktischen Belangen inspiriert und motiviert sein, ist aber dennoch nicht damit zu verwechseln. Denn was als wünschenswert im abstrakten Sinne anzustreben ist, ist nicht dasselbe wie das was wir tatsächlich für uns im konkreten Fall als anstrebenswert setzen sollten. Moral und Praktikabilität sind Ziele der Ehre. Nur werden Ziele nicht immer am besten dadurch erreicht, dass man sie sich direkt vornimmt. Die Moral steht über der Ehre sie steht aber jedoch trotzdem getrennt von ihr. So ist es mehr zu ehren wenn man ein ehrlicher Schurke als ein verlogener Wohltäter ist, auch wenn letzteres moralisch höher zu bewerten ist. Denn gegen einen ehrlichen Schurke kann man vorgehen, bei einem verlogenen Wohltäter kann man allerdings nie wissen ob dieser auch wirklich ein Wohltäter oder doch nur ein Lügner ist. Deshalb macht es mehr Sinn bei Anderen den ehrlichen Schurken mehr zu ehren als den verlogenen Wohltäter aber im Zweifelsfall selber lieber letzterer zu sein (solange man sich dabei nicht auch noch selber belügt).