Was ist karmisches Denken? Karmisches Denken sind alle Vorstellungen jeglicher Art, welche Handeln und Erleben moralischer Qualität in einen moralischen Zusammenhang stellen, welcher den Unterschied zwischen Sein und Sollen aufhebt. Wer an Karma glaubt, glaubt also, dass die moralische Qualität von Handlungen sich stets in den Vorgängen der Welt niederschlägt, und dass diese wiederum durch dahinterstehende moralische Zusammenhänge erklärbar ist.
Dabei gibt es zwei Arten karmischen Denkens, welche an ihren jeweils eigenen Deutungsmustern erkennbar sind, sich aber trotzdem nicht ausschließen. Diese sind karmisches Denken im moralischen Ausgleich und Karma als Schicksalskraft.
Karmisches Denken im moralischen Ausgleich geht grundsätzlich davon aus, dass alle -und damit v.a. die schlechten- Taten eines Menschen ausgeglichen und damit ungeltend gemacht werden können. In der Praxis führt das dabei immer öfter dazu, dass man sich durch gute Taten zu schlechten Taten einen Freibrief verschafft, als dass man für diese nachträglich mit guten Taten büßt. Dabei lässt sich die schlechte Tat eines Menschen, entweder durch ein von ihm ausgehende gute Tat oder die von einem mit ihm im Vergleich (v.a. in Konfliktsituationen) stehende böse Tat eines anderen aufwiegen. Das führt entsprechend im ersten Fall zum moralischen Ablasshandel und im zweiten Fall zu Selbstgerechtigkeit und die von ihr angetriebenen Konflikte. Im jeden Fall aber liegt das Problem darin, dass karmisches Denken hier eine kritische Betrachtung einzelner Taten für sich genommen, v.a. im Bezug auf ihre Angemessenheit, verhindert.
Karma als Schicksalskraft geht davon aus, dass unser Schicksal einer magischen moralisch ausgleichenden Macht unterworfen ist, welche auf schlechte Taten (oder sogar Gedanken) ein schlechtes Leben und auf gute Taten bzw. Gedanken ein gutes Leben folgen lässt. Entsprechend, kann jedem immer nur das geschehen, was er verdient. Das bedeutet dann somit auch, dass alles was ihm geschieht auch verdient gewesen sein muss und dass ihm das was er verdient auch immer irgendwie geschehen wird. Das Problem hierbei ist entsprechend, dass dieses Denken blind für unnötiges und unverdientes Leid einerseits, sowie ungestraftes und ungehindertes Unrecht andererseits macht indem es einen Ausgleich dessen entweder durch Abrede oder durch ein falsches Versprechen von dessen schicksalshafter Notwendigkeit verhindert. Es hindert uns wieder einmal daran den Einzelnen und sein Leben für sich angemessen zu bewerten und zu behandeln und entsprechend angemessen zu helfen oder zu strafen.
Der Glaube an Karma ist somit hochgradig abergläubig, unsachlich und irreführend und entmächtigend, wird aber von vielen Menschen inoffiziell und unterschwellig trotzdem eingehalten oder zumindest erhofft. Aber warum ist das so? Weil es einfach leichter ist in einer Welt zu leben, die vermeintlich von alleine Gerechtigkeit schafft, als in einer solchen welche von uns erfordert sie zur Gerechtigkeit zu bringen.
Wenn allles seine Ordnung hat und alles so kommt wie es kommen muss, dann muss ich mich selber nicht fragen, warum es so ist, ob es so sein sollte und wie es denn anders möglich und besser wäre und was ich dafür nun tun müsste.
Aber eigentlich ist es genau das was ich tun sollte.
Und selbst wenn für mich der Glaube an mein Karma weiterhin gilt, so wird die Bemühung Karma zu bringen, anstatt darauf zu warten meinem eigenem Karma am Ende auch nicht schaden, sondern es im Gegenteil wahrscheinlich noch verbessern. Es ist also -und darin liegt die Ironie der ganzen Sache- in jedem fall, ob es Karma nun gibt oder nicht, irrational an es zu glauben und sich von diesem Glauben dann (fehl-)leiten zu lassen.
Ob die Welt und das Leben nun irgendwelchen magischen ausgleichenden Gesetzmäßigkeiten folgen oder nicht, es ist in jedem Fall nichts worum man sich kümmern sollte, weil es entweder falsch oder wenn es falsch dann doch immer noch überflüssig oder sogar ablenkend ist. Stattdessen liegt es an uns für Gerechtigkeit in der Welt zu sorgen und ihr zu überlassen ob sie es uns nun vergelten wird oder nicht.