Die Moral kann auf zwei Wegen zum Moralismus führen, bzw. für diesen gebraucht werden, wobei der erste der einer grundsätzlichen, allgemeinen und universalen Vorstellung von ihr und der zweite der eines konkreten, programmatischen und oft flach begründeten Anspruchs im Sozialen oder Politischen ist.
Während eine grundlegende und universale Moral, dass Fundament für ein Gewissen ist unter dessen Leitung wir ein gutes Leben und harmonisches oder zumindest kooperatives Verhältnis zu unseren Mitmenschen entwickeln können, ist dieses Gewissen sobald es an eine Agenda verhurt wird seinem Zweck entfremdet und dieser zugleich durch seine moralistische Aufladung der Überprüfung entzogen.
Diese letztere Form wollen wir hier den politischen Moralismus nennen, weil er in seiner typischen Form und v.a. mit charakteristischer Systematik hauptsätzlich in der Politik zum Einsatz kommt. Diese ist wie folgt: Die Menschen haben ihr Verhalten untereinander nicht etwa nach freiem und selbstbestimmten Gebrauch ihrer Vernunft ausgehend von abtstrakten und allgemeinen Prinzipien, zu regeln sondern sich dabei an konkrete Maßgaben, Maßrgelen und v.a. Imperative zu halten, die mit der (scheinbaren) Autorität der Moral durch einen flachen, vagen, meist unbegründeten Appell an diese heraufbeschworen werden.
Das irgendwie in Frage zu stellen gilt dabei selber bereits als unmoralisch. Dabei wird natürlich übersehen inwieweit die Moral nicht zwangsläufig zu den sich auf sie berufenden Programmpunkten führen muss, weil sie einerseits nicht einheitlich ist und verschiedene Grundregeln in ihren Implikationen gegeneinander abwägen muss, und weil andererseits von diesen Grundregeln an sich schon keine eindeutige Folgerung auf konkrete Umstände möglich ist.
Aber selbst wenn man das schwache Verhältnis von Moral zu politischem Moralismus ausblendet, ergibt sich immer noch das Problem wie nun verschiedene politische Moralismen in ihrer Konkurrenz und Widersprüchlichkeit gegeneinander abgewogen werden können. Der Rückbezug auf die Grundsätze der Moral durch den freien und selbstbestimmten Gebrauch der Vernunft ist ja hierbei bereits ausgeschlossen, also kann weder die Moral noch die Vernunft hier zu Rate gezogen werden (weil sie beide zusammen ausgeschlossen werden und für sich alleine nicht entscheidend sein können).
Somit verliert der vernünftige und freie Diskurs hier sein Primat der Entscheidungsfindung; und wo nicht mehr nach den Regeln der Vernunft entschieden werden kann, da geht es nur noch nach den Regeln der Macht. Aber welche Macht ist es nach der im politischen Moralismus entschieden wird? Es ist die selbe Macht auf der er begründet ist, die Macht der Gefühle. Harte Macht im Sinne von Zwang und Gewalt kommen bisweilen auch zum Einsatz, allerdings immer nur als Folge der Macht der Gefühle, mit welcher sie sich nicht allzu stark oder allzu offen im Widerspruch befinden dürfen -zumindest vorerst. Die Gefühle durch die der politische Moralismus sich durchsetzt und verwirklicht, folgen hierbei einer abwärts eskalierenden Dialektik. Diese beginnt mit dem Apell an Ehre, Mitgefühl und Güte, führt dann zur Einberufung durch Pflicht, Schuld und Gehorsam, dann zu Angst, Hass und Missgunst gegen alle die sich Appell und Einberufung widersetzen und schließlich Egoismus, Opportunismus und Sadismus wenn man sich gegen diese durchzusetzen beginnt.
Kein Wunder also, dass bei einer solchen Entwicklung oft diejenigen sie am meisten antreiben welche in sich ohnehin schon die Neigung zu diesen Gefühlen und der mit ihr einhergehenden Machtausübung in sich tragen, und dabei oft auch noch glauben dass ausgerechnet sie sich in diesem Spiel am Ende gegen alle anderen durchsetzen werden.