Selbstbeherrschung. Sie ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts. Haben wir keine Selbstbeherrschung so ist es egal welche Tugenden wir sonst noch besitzen, wir werden sie nicht zur Verfügung haben, sie nicht kontrollieren können und vielleicht nicht einmal bemerken.
Denn in jeder Situation in der man nicht komplett mitgerissen werden will, ist es erforderlich, dass wir zuerst diese, dann uns selber und dann die erforderlichen Tugenden für sie verstehen um diese dann im richtigen Ausmaß zur richtigen Zeit und auf die richtige Art zu gebrauchen.
Jeder Schritt davon -v.a. der letzte- erfordert Selbstbeherrschung und meist auch Selbstreflektion welche letztendlich geistige Selbstbeherrschung ist.
Sind wir nicht Herr unserer eigenen Sinne, so werden so werden wir unsere Situation nicht erfassen können. Sind wir nicht Herr unseres eigenen Verstandes so werden wir weder sie noch uns selber jemals wirklich begreifen können. Und sind wir nicht Herr unser eigenen Taten wird uns auch die beste Auffassung von uns selber und unserer Lage nichts nützen und unsere eigenen Taten werden zur Wirkungslosigkeit oder sogar zur Fehlwirkung verdammt sein.
Selbstbeherrschung ist also eine Art Meta-Tugend. Sie erlaubt uns erst den richtigen Umgang mit unseren Tugenden wie mit unserem ganzem eigenen Charakter und allen Lebenslagen überhaupt. Und nicht nur das. In dem Maß wie Selbstbeherrschung uns selbstbestimmt macht ist sie auch unser natürliches Bollwerk gegen jegliche Form der Fremdbestimmung, sei es Manipulation, Drohung, Verführung, Verwirrung oder was auch immer.
Sollte uns trotz mangelnder Selbstbeherrschung durch bloßen Zufall trotzdem alles gelingen was wir versuchen, so würde es trotzdem nichts bedeuten. Denn nur wenn wir wirklich Herr unser selbst genauso wie Herr unser eigenen Taten sind, ist der Erfolg den wir erreichen auch wirklich der unsrige. Haben wir uns nicht selber, so gehören uns auch nicht mehr unsere eigenen Taten und noch viel weniger was wir damit bewirken (auch wenn es gut, gelungen, erfolgreich etc. sein mag) und am Ende auch nicht unser eigenes Leben welches ja von diesen ausgemacht wird. Und was nützt es uns alles in unserem Leben zu haben, wenn wir doch nicht diejenigen sind die es haben? Ein Leben dass uns nicht gehört und nicht das unsrige ist, ist vielleicht nicht einmal ein richtiges Leben.
Wir brauchen die Selbstbeherrschung allerdings nicht nur um über uns selbst und unsere Tugenden zu verfügen, sondern auch um diese überhaupt erst herauszubilden und somit unserem Charakter seine Gestalt und dadurch der Psyche ihre Persönlichkeit zu geben. Denn Tugenden benötigen zu ihrer Herausbildung stetigen und steigenden Gebrauch, Charakter benötigt deren kohärente Integration und Persönlichkeit benötigt, dass der Charakter dem Ausdruck unserer Gefühle und Triebe Form und Funktion verleiht. Alle diese Schritte erfordern dabei an sich, sowie an ihren Übergängen und in ihrer Gesamtintegration unsere Selbstbeherrschung als formende und bisweilen auch als antreibende Kraft unserer Entwicklung.
Dass wir also Selbstbeherrschung überhaupt gebrauchen, macht uns erst zu einem ganzen Menschen und wie wir sie konkret gebrauchen macht uns dazu zu dem einzigartigen Menschen der wir sind.
Entsprechend müsste ein Mangel an Selbstbeherrschung in einem Leben indem uns ansonsten alles gelingt uns nicht nur unserer selbst sondern v.a. auch unserer Menschlichkeit berauben. Wir wären ohne Selbstbeherrschung nicht mehr wir selbst, würden uns nicht mehr selber haben und könnten auch niemand mehr wirklich sein.
Unsere Selbstbeherrschung ist letztendlich das was uns von den Tieren abhebt, weil sie für alles das was uns zum Menschen macht entweder indirekt notwendig oder direkt selber verantwortlich ist. Und genau das macht sie zur wichtigsten und stärksten aller Tugenden.