Was ist Ignoranz?

Wir sind zu allem möglichen Wissen das es geben kann immer in einem doppelten Verhältnis. Wir wissen es, oder wissen es nicht und wir wissen oder wissen nicht, dass wir es wissen. Nach diesen zwei Dimensionen lässt sich entsprechend ein Quadrant mit vier Feldern konstruieren: bekannte Bekannte und bekannte Unbekannte, sowie unbekannte Unbekannte und unbekannte Bekannte. Es gibt also Dinge die wir wissen und bei denen wir auch wissen, dass wir sie wissen, solche bei denen wir wissen, dass wir sie nicht wissen und solche bei denen wir nicht wissen, dass wir sie wissen sowie solche bei denen wir nicht einmal wissen, dass wir sie nicht wissen.

Zu diesem 4-Felder-Modell kann man sich nun auf verschiedene Arten in Beziehung setzen und dementsprechend verschiedene Haltungen einnehmen. Die Haltung der Wissbegierde zeichnet sich dabei durch die Bemühung aus, die Größe des Feldes der bekannten Bekannten sowohl absolut als auch im Verhältnis zu den anderen Feldern zu maximieren. Wer wissbegierig ist, möchte also sowohl soviel wie möglich wissen, als auch sich seines Wissens soweit wie möglich bewusst sein.

Das Gegenteil der Wissbegierde ist die Ignoranz. Als Gegenteil kann sie dabei entweder als Abwesenheit oder als Ablehnung der Wissbegierde aufgefasst werden.

Ignoranz als Abwesenheit von Wissbegierde würde sich somit durch Gleichgültigkeit und Desinteresse gegenüber allen Wissensformen und dem Ausmaß in dem diese als bekannte Bekannte expliziert sind auszeichnen. Mit dieser Haltung von Gleichgültigkeit und Desinteresse gegenüber dem Wissen ist immer notwendigerweise auch die selbe Haltung gegenüber dem Unterschied zwischen Wissen und Nicht-Wissen verbunden. Wer ignorant in diesem Sinne ist, kümmert sich also nicht darum mehr zu wissen, nicht um das was er weiß und erst recht nicht darum was Wissen überhaupt ist sowie ob, wie und wie weit man es erreichen kann.

Der derartig Ignorante misst also dem Wissen und dem Zustand des Wissens keine eigene Bedeutung bei. Was er allerdings anzuerkennen vermag, ist dass Wissen für ihn nützlich sein und somit einen instrumentellen Wert haben kann. Das führt ihn dazu zumindest gegenüber dem bekannten Unbekannten -also dem von dem er weiß, dass er es nicht weiß- einigermaßen aufgeschlossen zu sein und sich zu fragen, was es dort evt. Nützliches zu wissen gäbe. Nur leider übersieht er dabei in seiner Ignoranz gegenüber der Frage des Wissens, dass ob und inwiefern Wissen nützlich ist, erst dann wirklich feststellbar ist wenn man es sich angeeignet hat (das Gegenteil gilt dabei genauso: Ob etwas zu wissen unnütz ist weiß man auch wirklich erst nachdem man es gelernt hat).

Was ist nun mit Ignoranz als Abneigung? Die Abneigung, kann sich hierbei als Abneigung gegenüber dem Wissen selber oder dem Prozess seines Erwerbs ausdrücken. Dies erweitert sich dann oft auch auf die Abneigung, gegen das Wissen oder den Wissenserwerb anderer. Grund dafür ist meistens, dass man entweder Wissen und Wissenserwerb als solchen als belastend befindet, oder dass man ihn als lasterhaft -also sündhaft und verderblich- ansieht. Wer dabei das Wissen und seinen Erwerb als belastend empfindet, neigt dabei zu allgemeiner Ignoranz und wer es als lasterhaft empfindet eher zu Ignoranz gegenüber bestimmtem Wissen oder auch schon allem was es nur andeutet inkl. dem bloßen Fragen nach ihm oder bloßem Verweis auf dessen Tabuisierung.

Damit nimmt die Ignoranz gegenüber bestimmtem Wissen also stets die Form des Tabus an: Was tabuisiert ist, darf weder in Erwähnung noch in Gebrauch angesprochen werden. Und deshalb darf auch das Tabu als solches nie explizit erwähnt sondern immer nur andeutend praktiziert werden, weil man dadurch bereits indirekt auf, dass was es tabuisiert ist verweisen würde.

Was die Ignoranz der Abneigung allerdings antreibt ist nicht etwa die Faulheit sondern der Selbstschutz. Was dabei bedroht ist, ist entweder zuerst die Struktur der eigenen Persönlichkeit oder die des eigenen Weltbildes, in jedem Fall allerdings früher oder später immer beides.

Man fühlt sich in seiner Persönlichkeitsstruktur und in der Struktur des eigenen Weltbildes, immer dann bedroht wenn sich ein Wissen andeutet, was dieser zuwider laufen und es somit aushebeln könnte. Deshalb auch darf es dann nicht geben, was nicht wahr sein darf weil es sowohl einen selbst, als auch das was man glaubt der Lüge überführen würde. Und der einfachste Weg eben diese gebrauchte Nichtexistenz von bedrohlichem Wissen zu verhinder, ist die Ignoranz. Man tut so als würde und könnte es nicht geben, was man nicht sein lassen darf und tut dabei zugleich so als würde man genau das -also das bewusste ignorieren- gerade nicht tun. Und genau in dieser willentlichen Selbstverblendung- und Selbstverleugnung liegt das Wesen der Ignoranz.

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