Die hedonische Tretmühle und ihr Gegenteil

Es ist unser größter Fluch und unser grösster Segen zugleich, dass wir uns als Menschen immer an unsere Umstände anpassen. Durch unsere Anpassungstendezen werden wir egal wie sich unser Leben verändert fast immer in einen stabilen Mittelzustand zurückbalanciert. Wo genau jedoch der Punkt dieses Mittelzustands liegt, ist nicht immer gleich und hängt stets davon ab wer wir sind und woran wir uns über unser Leben hinweg bereits angepasst haben.

Wenn wir das verstehen, so verstehen wir auch das die unserer Natur inhärente Neigung das Glück zu suchen und das Leid zu meiden, zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sein muss. Das Streben nach Glück führt dabei lediglich kurzfristig zur Belohnung, mittelfristig zur Normalisierung und langfristig zur Frustration. Dieses Phänomen ist auch als die sog. „hedonische Tretmühle“ bekannt.

Doch wie verhält es sich mit dem Leid. Was ist hier das Gegenteil zur hedonischen Tretmühle?

Hier gilt folgendes: Genauso wie wir uns an die Anwesenheit von Glück gewöhnen, werden wir uns immer auch an die Abwesenheit von Leid gewöhnen. Und in dem Maß in dem wir uns an die Abwesenheit von Leid gewöhnen, werden wir ihm gegenüber nur noch anfälliger weil wir durch die dabei verursachte Verweichlichung verwöhnt, empfindlich und wehrlos werden.

Dem Leid können wir also nicht entkommen. Wir können nur versuchen uns ihm zu stellen, oder es bei dem Versuch es zu vermeiden aufzuschieben, um es später mit Zinsen vermehrt zurückgezahlt zu bekommen. Also bleibt nur eine mögliche Lösung übrig: Wir müssen uns dem in unserem Leben unvermeidlichem Leid stellen und uns dafür entscheiden welches es sein soll. Und wenn wir das tun, dann sollten wir es dabei so machen, dass es uns nicht als ein passives nachgiebiges und ohnmächtiges blosses Er-Leiden dessen was uns zustösst passiert, sondern dass wir ihm als einen zu überwindenden Widerstand begegnen, der uns dazu herausfordert ihn unter Gebrauch unserer eigenen Kräfte -die wir dabei zugleich schulen können- und unserer Toleranz für Schmerz und Frustration -die wir dabei steigern können- zu überwinden.

Damit dieser herausfordernde und offensive Umgang mit dem Leid in unserem Leben, aber nicht zum Masochismus wird, müssen wir bei der Wahl unseres Leidens die Sinnhaftigkeit dessen über sein Ausmaß stellen. Und um dies zu tun muss unser Wille sich dem Leid entgegenstellen um dessen Überwindung einen Grund in Form eine angestrebten sinnerfüllten Zweckes zu verleihen. Wir nehmen das Leiden dann nicht um des Leidens willens hin, sondern um etwas zu erreichen wofür man es notwendigerweise überstehen muss, welches für unsan Wichtigkeit gegenüber der Schwere des Leids überwiegt.

Gelingt uns das zu tun, also so zu leben dass wir beständig von unserem Willen geleitet sinnvoll Widerstände überwinden und daran wachsen, dann schlagen wir damit gleich drei Fliegen -die Dämonen der Fahrlässigkeit mit einer Klappe. Diese sind Lustlosigkeit durch Verwöhnung, Empfindlichkeit durch Scheu und Schwäche durch Schonung. An ihre Stelle setzen wir nun die Empfänglichkeit für das Glück, die Toleranz von Schmerz und Frustration sowie die Stärke mit unserem Willen die Hindernisse und Schwierigkeiten zu überwinden die uns das Leben entgegenbringt. Dadurch erlangen wir dann zwar immer noch kein paradiesisches Leben frei von Leid und nur voller Glück, aber doch zumindest ein Leben mit möglichst wenig Elend und möglichst viel Erfüllung.

Kommentar verfassen